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: Arnold und die letzten Tage von California

Kalifornisches Tagebuch (I): Als Terminator hat er die Welt gerettet und jetzt kneift er vor einem kleinen Haushaltsloch

Santa Cruz, Calif., 31.Juli – Wir schwebten mit dem Skymover direkt in den Himmel. Oh. Im Westen der Pazifik. Ah. Am Firmament das Abendrot. Im Osten die Berge. Ja, das muss das Paradies sein. Also Kalifornien. Aber da kamen uns Menschen entgegen.

„Hast du das wieder gesehen?“ – „Was?“ – „Da braucht immer einer allein die ganze Sitzfläche.“

Tatsächlich: Fette im Himmel! Ich sah zur kalifornischen Erde runter: Auch viele ungesund dick aussehende Menschen. Naja, ein Vergnügungspark wie der Santa Cruz Beachboardwalk ist nicht der Ort, an dem feingliedrige Linksliberale engagiert über organisches Gemüse diskutieren. Da kommen einfache, ehrliche Kerle, um sich Knoblauch-Fritten und Pepsis reinzupfeifen, bis sie platzen. Bzw. rollen sie sich zunächst zurück zu ihren dicken Autos und hauen auf dem Nachhauseweg noch mit dem Rest ihres kargen Gehaltes Popcorn rein und Sprit raus. Das richtig dicke Ende kommt erst, wenn sie irgendwann vor der Krankenhaustür feststellen, dass man sich für eine ärztliche Behandlung selbstständig hätte versichern müssen.

Ich will damit sagen, dass es sich bei Kalifornien zwar um die Zivilisation handelt, die Vorbildfunktion für die USA und die angeschlossene Welt hat – aber zum Beispiel auch um ein Land, in dem nicht mal ein Viertel der Wahlberechtigten wählt. Weil sie nicht schreiben können. Oder weil sie drei Jobs haben und keine Zeit. Oder weil es sie nicht interessiert. Egal, wie es grade steht mit Kalifornien. Grade steht es gar nicht gut.

Die Steuereinnahmen sind geschrumpft wie die Zahl der Dot.Com-Millionäre. Der diese Woche zustande gekommene Sparhaushalt führt zu den üblichen Rückschritten im Sozialsystem und in der Bildung. Kobe Bryant, der berühmteste saubere Sportler Kaliforniens – und damit der Welt – wird der Vergewaltigung beschuldigt. Und der vor einem Jahr wiedergewählte Gouverneur Gray Davis (ein Demokrat) muss sich am 7. Oktober einem Abwahlverfahren stellen („Recall“). Der Recall kam zustande, weil 1,3 Millionen unzufriedene Wähler eine so genannte Recall-Petition unterschrieben hatten.

Direkte Demokratie. Progressiv? Oder ein böses Spiel der oppositionellen Republikaner, die das Eintreiben der Unterschriften finanziert hatten? Jedenfalls wird im Oktober neu abgestimmt. Primär über die Abwahl von Davis. Nur wenn es dafür eine Mehrheit gibt, wird der Gegenkandidat mit den meisten Stimmen neuer Gouverneur.

Und da kommt Arnold ins Spiel. Arnold (56) ist der aus Graz stammende Hollywoodschauspieler Schwarzenegger („Terminator I, II und III“). Aber alle hier, Menschen und Medien, sagen einfach Arnold. Mit ziemlicher Sicherheit ist Arnold das meistbenutzte Wort der letzten Tage. Arnold hat lange überlegt. Zuletzt sagte er, er werde doch nicht antreten. Viele in Kalifornien aber hatten auf Arnold gehofft. Längst nicht nur skrupellose Medienschaffende wie ich, die sich davon ein großes Spektakel erwartet hatten. Ehrlich gesagt, ist kalifornische Landespolitik in Sacramento ja in etwa so glamorös wie der Berliner Senat. Aber es gibt offenbar auch Leute, die die Sache mit „Recall“ und „Total Recall“ (ein Filmtitel von Arnold), nicht für das abgenutzteste Wortspiel des Monats halten, sondern für ein Zeichen. Menschen, die glauben, wer als Terminator mehrfach die Welt gerettet habe, der hätte auch mit einem Haushaltsloch von 38 Milliarden Dollar kurzen Prozess machen können. Früher hätte man milde gelächelt. Aber wer kann sich heute noch über Schauspieler-Staatsmänner lustig machen? In Europa glauben manche, einen Staat führe man, indem man seinen Urlaub in Italien absagt. Peter Camejo kandidiert wie 2002 für die Grünen. „Die Leute in Europa“, sagte er mir, „wissen immerhin, was rechts und links bedeutet. Viele US-Bürger nicht. Sie entscheiden nach einem Eindruck, den sie im Fernsehen gekriegt haben, wie jemand redet oder agiert.“ Camejo sagt „act“, was ja auch schauspielern heißt.

Übrigens gilt Arnold als „gemäßigter Republikaner“, was in etwa so viel heißt: er frisst zumindest keine Ausländer oder Homosexuelle. Gray Davis ist eine Art gemäßigter Demokrat, was in etwa auf dasselbe rauskommt. Seine Hauptbeschäftigung war stets die Finanzierung seines jeweiligen Wahlkampfes, sagt Camejo. Er nennt Davis seit Jahren unwiderrufen „den sehr korrupten Politiker, der Kalifornien regiert“.

Es ist schlimm. Hat aber auch gute Seiten. Für die Ostküstenärsche. Die sind obenauf und reißen seit Wochen Witze. Über die Verrückten an der Westküste („California Chaos“, „California Screamin“? usw.). Über eine berühmte Kolumnistin, die eventuell antritt. Allerdings nur, wenn ihr Exehemann nicht antritt. (Das würde sonst die gemeinsamen Kinder verwirren.) Über allerlei Kalifornier, die ein paar hundert Stimmen und 3.500 Dollar vorweisen müssen und dann auch antreten. (Siehe etwa georgyforgov.com.) Um es kurz zu machen: Im Vergleich mit Kalifornien, behauptet Newsweek, „sahen die letzten Tage von Rom heiter aus“.

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Wir schwebten mit dem Skymover zurück Richtung kalifornische Erde. In der Kabine gegenüber biss jemand Vollschlankes in etwas offenbar so Gesundes, dass es knackte. „Hallo. Entschuldigung. Was essen Sie denn da Schönes?“ – „Stangensellerie mit Erdnussbutter.“ Hm. Unter uns das Billboard eines Schnellrestaurants. Drei Worte leuchteten: „Arnold for Gouvernator“.

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