Surreale Bedrohungen

Jahresausstellung der HfBK offenbart einen Rückzug ins Private, ohne sich deshalb einem Trend zu verschreiben

Wenn heute Abend die frei durch den Aulavorraum gezogene Papptreppe unter 600 Kilo Belastung zusammenbricht, wird es wieder einmal eine der sonst drögeren Abteilungen der Kunsthochschule geschafft haben, Bautechnik und Spaß zu verbinden. Denn die Belastungsversuche des Bereichs Tragwerksentwurf gehören seit Jahren zum unverzichtbaren spektakulären Beiwerk der Jahresausstellung der Hochschule für Bildende Künste (HfBK).

Geht man dann durch die nur einmal im Jahr öffentlich zugänglichen Räume, wird klar, dass die Freie Kunst das Herz der Hochschule ist. Zwar gewinnen Design, Film und Textil internationale Preise, aber nach der Auflösung der engeren Fachbereiche ist es doch der künstlerische Aspekt, der auch die angewandteren Studiengänge kreativ macht.

Aber auch in der Freien Kunst wird immer stärker über den Tellerrand geschaut: Schon eine der Grundklassen hat sich repräsentative Räume für eine museale Hängung erobert, Wlodek Bzowka hat für seine gemalten Filmbilder und gefilmten Gemälde einen quadratischen „White Cube“ in den Bibliotheksvorraum gestellt, und Kunstkritiker, Galeristen und Sammler treten inzwischen in Gastvorträgen im Hause auf. Ab Herbst wird es dann erstmalig eine hauseigene Galerie geben, an deren Gründung der Taubenstraßen-Galerist Tjorg Beer beteiligt ist.

Doch was die Themen der Kunst angeht, macht sich ein Rückzug ins Private bemerkbar. Immer wieder sind niedliche Tierchen zu sehen, Monster schleichen über Schränke und Katzen sitzen auf Türrahmen. Ob Marienkäferzucht, großes Wandbild oder AG Traumkino von Filmprofessor Wim Wenders: Es fällt auf, dass die Kunst sich weitgehend um individuelle Welten kümmert, surrealistisch von Bedrohungen durchsetzt. Hellroy von Jörn Stahlschmidt beispielsweise ist eine Orgelpfeife, die so tief spielt, dass der Ton nicht zu hören ist – doch solche Schwingungen stehen im Verdacht, für Geistererscheinungen zuständig zu sein. Dann wiederum tritt der Besucher mal auf hochglanzpolierte Blutlachen aus Splatterfilmen, mal auf eine begrünte Gemüsekistenkonstruktion, wo er sich bekochen lassen kann. Anderswo wiederum finden sich Moritz Altmanns delirierende Rokoko-Prunkstücken auch noch frühmoderne Kunstgeschichte: In Raum 213 ist dokumentiert, dass jüngst im Haus ein allegorisches Bild wiederentdeckt wurde, das Willy von Beckerath, Professor für Monumentalmalerei dort 1923 malte... . Man sollte die Jahresausstellung der HfbK genießen wie Federweißen: als im Reifeprozess brodelnde frische Kunst. Hajo Schiff

Hochschule für Bildende Künste, Hauptgebäude Lerchenfeld 2, sowie Averhoffstr. 38 und Wartenau 16. Eröffnung: heute, 18 Uhr, Treppencrash 22 Uhr, anschl. Feiern. Geöffnet Do–So 14–18 Uhr; bis 11.7.