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Archiv-Artikel

Die Bewegte Stadt

„Wege der Moderne“ verfolgt die Gruppe Cinepolis mit ihrer am Wochenende eröffneten Programmreihe zum Thema Stadt und Film. Ein Gespräch mit Olaf Bartels und Thomas Tode.

Interview: LENA ULLRICH

Cinepolis ist ein Zusammenschluss zweier Filmemacher, eines Kuratoren, eines Mediendesigners und eines Architekturkritikers. In der gemeinsam konzipierten, gleichnamigen Programmreihe dreht sich bis Ende September alles um das Thema Stadt und Film (und was beide miteinander zu tun haben). Mentale Architekturen, Verlorene Orte und die Verborgene Stadt sind nur einige der zahlreichen Themen, die Cinepolis immer donnerstags im Metropolis auf die Leinwand bringt.

Zur Eröffnung auf der Rollschuhbahn Planten un Blomen fanden sich am Sonnabend nur wenige Besucher ein, um ihre Sichtweisen durch die projizierten verschwimmenden Konturen und den eingeschlossenen Betonplatz in Bewegung bringen zu lassen. Zum Beispiel die Wahrnehmung der eigenen Beschleunigung beim Lauf entgegen der Kamerafahrt. taz hamburg sprach mit Olaf Bartels, Architekturkritiker sowie -historiker, und Thomas Tode, Filmemacher, über das diesjährige Cinepolis-Programm.

taz hamburg: Thema von Cinepolis 2003 ist, wie bei ihrem Debüt vor drei Jahren, die Symbiose zwischen Stadt und Film. Was ist gemeint?

Olaf Bartels: Viele Filme werden außerhalb des Metropolis-Kinos in der Stadt gezeigt: Auf der Rollschuhbahn, in der U-Bahn, in einem Abrisshaus oder einem Café. Die reale Stadt und die fiktive Stadt, oder die fiktive Architektur in den Filmen können so gleichzeitig erlebt werden.

Sind die Mehrzahl der Filme wieder Dokumentarfilme?

Thomas Tode: Dieses Jahr bewegen wir uns vor allem im Bereich der Kurzfilme, von denen viele Dokumentarfilme sind. Aber auch Künstlerfilme und einige abendfüllende Spielfilme, zum Beispiel von Tati, Godard und Antonioni sind darunter.

Was waren die Kriterien bei der Auswahl?

Tode: Wir haben uns von dem Thema des Hamburger Architektur-Sommers, „Wege der Moderne“, inspirieren lassen: Wie verändert sich das Selbstbild des Menschen und seine Architektur im 20. Jahrhundert? Welche Wege beschreitet er?

War das Kriterium der Moderne auch für die Auswahl der Veranstaltungsorte von Bedeutung?

Tode: Nein. Die Auswahl der Orte hängt davon ab, ob das Filmprogramm dort hinpasst. Ob da irgendeine Beziehung entsteht. Zum Beispiel zeigen wir Kurzfilme zum Thema „Verlorene Orte“ in einem Abrisshaus, das wirklich ein paar Tage später zertrümmert wird.

Beantwortet das Programm die Frage: „Was ist eigentlich Moderne?“

Bartels: Wir haben versucht mit den Filmen die chronologische und inhaltliche Vielschichtigkeit der Moderne und ihrer Visionäre aufzuzeigen.

Tode: Es lassen sich auch Verbindungen zwischen den einzelnen Programmen ziehen. Zum Beispiel von William Cameron Menzies Science-Fiction-Streifen Things to Come zu einem neuen Dokumentarfilm über die gläserne VW-Fabrik in Dresden. Es gibt verblüffende Parallelen zwischen dem Spielfilm von 1936 und der gebauten Realität von heute.

Zum Beispiel den Glauben an die heilsbringende Wirkung der Technik. Feiert Cinepolis den modernen Turmbau zu Babel?

Bartels: Nein, das Atlantropa-Projekt wäre vielleicht so ein Turmbau. Der deutsche Architekt Hermann Sörgel hatte Ende der 20er Jahre die Idee, das Mittelmeer um einige hundert Meter abzusenken. Das Atlantropa-Projekt sollte Land gewinnen und Europa mit Afrika verbinden. Die Propagandafilme dazu wirken heute eher lustig, obwohl sie damals sehr ernst gemeint waren. Heute wissen wir um die unkontrollierbaren Folgen so eines technokratischen Großprojekts für die Umwelt.

Und die Folgen im Bereich des Sozialen?

Tode: Da haben wir zum Beispiel den Kurzfilm Les mains négatives im Programm. Der Film von Marguerite Duras wurde um fünf Uhr morgens auf den großen Boulevards von Paris gedreht. Die Stadt vor ihrer „Benutzung“. Da sind nur die Straßenkehrer bei ihrer Arbeit. Sie wirken wie Ausgestoßene. Dazu ein Text von Duras, der von der Frühzeit der Menschen handelt.

Entwirft die Cinepolis ein Gegenbild zum homo faber der funktionellen Stadt?

Tode: So ideologisch sehen wir die Veranstaltung nicht. Aber wir stellen mit Constant Nieuwenhuys einen Utopisten aus den 60er Jahren vor, der einen umfassenden Gegenentwurf zur architektonischen und gesellschaftlichen Realität zeichnet: Eine Stadt für die von Arbeit befreite Gesellschaft.

Ein Programmpunkt heißt „Architekten der Moderne“. Mit wem hätte sich Constant Nieuwenhuys verstanden?

Tode: Vielleicht mit dem Bauingenieur und Komponisten Iannis Xenakis. Sie teilen das Selbstbild des kreativen, musischen Menschen.

Bartels: Xenakis hat Licht als musikalisches Element in die Architektur des Klosters La Tourette eingesetzt. Wie die Architektur unterliegt Musik den Regeln der Mathematik. Xenakis hat zum Beispiel eine Glaswand, in einer bestimmten Abfolge unterteilt und so das Licht „rythmisch“ gebrochen. In einer Veranstaltung dazu wird das Ensemble Resonanz auch Musik von Xenakis live spielen.

nächste Termine: Constant oder der Weg nach New Babylon: 7.8., 19 Uhr; Playtime: 7.8., 21 Uhr; Architekturfilme von László Moholy-Nagy u.a.: 14.8., 19 Uhr; Things to Come, 14.8., 21.15 Uhr; alles Metropolis. Das komplette Programm unter www.cinepolis.de