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Archiv-Artikel

„Oft fehlt der Kundengedanke“

Viele Kontrolleure streifen wie Sheriffs durch die Züge, sagt Nahverkehrsschlichter Udo Sieverding. Er empfiehlt ein Stufenmodell: Wer erstmals erwischt wird, zahlt nur 10 Euro

taz: Herr Sieverding, was ist schief gelaufen, wenn in der U-Bahn ein Kontrolleur ausrastet?

Udo Sieverding: Das liegt meist schon am Personal. Oft werden, wie bei der BVG, private Sicherheitsunternehmen beauftragt, deren selten gut bezahlte Mitarbeiter eher begrenzt pädagogisch geschult worden sind.

Es gibt doch spezielle Höflichkeitsschulungen. Reicht das nicht?

Bei der Schlichtungsstelle Nahverkehr gehen immer wieder Beschwerden über unfreundliche Mitarbeiter von Verkehrsunternehmen ein. Im Vergleich zu externen Kontrolleuren stellen wir jedoch fest, dass es eigenen Mitarbeitern immer noch leichter fällt, die Fahrgäste als Kunden anzusehen. Bei externen Kontrolleuren scheint dieser Kundengedanke häufig zu fehlen.

Woran liegt das?

Als Vielnutzer von Bus und Bahn erlebe ich immer wieder, dass Kontrolleure in Sheriff-Manier durch Züge streifen, auf der Suche nach ihrem nächsten Opfer.

Ist nicht der Kunde immer König?

So sollte es sein. Aber wenn Menschen ohne gültigen Fahrschein unterwegs sind oder ihre Kundenbeschwerden bearbeitet werden, erleben wir nicht selten das Gegenteil.

Jeder Kunde ein Verbrecher.

In der Tat wird hinter jedem ungültigen Fahrausweis erst mal pure Abzocke vermutet. Wenn das nachweisbar ist, sollten diese Fahrgäste auch im Sinne der ehrlichen Kunden zur Kasse gebeten werden. In vielen Fällen hat der Kunde aber überhaupt keine Ahnung, dass sein Fahrschein ungültig ist, bzw. konnte er keinen erwerben, weil Automat oder Entwerter defekt waren. Falsche Informationen von Verkehrsunternehmen erschweren diese Situation.

Geht es auch anders?

Ja. Die Verkehrbetriebe in Stuttgart haben ein Stufenmodell erarbeitet, bei dem „Ersttäter“ lediglich 10 Euro bezahlen müssen.

Viele Verkehrsbetriebe sind privatisiert worden. War nicht eines der Ziele, die Qualität zu steigern?

Das ist richtig. Aber es hat leider keinen Wettbewerb um die größere Kundenzufriedenheit gegeben, sondern häufig nur um den Preis. Billiger ist aber für den Kunden nicht automatisch besser.

Was können die Unternehmen besser machen?

Kulanz walten lassen und höflich bleiben. Am besten sollte schon der Kontrolleur in der Lage sein, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Er ist nicht selten der einzige Mitarbeiter eines Verkehrsunternehmens, mit dem ein Kunde direkten Kontakt hat. Wenn der es nicht schafft, freundlich zu sein, dann können das Beschwerdestellen – und seien sie noch so gut – nur schwer wieder ausbügeln.

INTERVIEW: THORSTEN DENKLER