: Der Sonnenkönigsmörder
Noch vor kurzem wusste kaum jemand etwas mit seinem Namen anzufangen, jetzt ist er als DFB-Präsident im Gespräch
Das Präsidium des Deutschen Fußballbundes ist ein Club ergrauter Männer (Durchschnittsalter 66), dessen Mitglieder nur selten in Erscheinung treten. Selbst Fußballexperten müssen nachschlagen, wenn es darum geht, die Namen der mächtigsten Kickerfunktionäre der Republik aufzuzählen. Urplötzlich jedoch ist ein Name in aller Munde: Theo Zwanziger. Seit er die Rolle des Gegenspielers von Gerhard Mayer-Vorfelder, dem wankenden DFB-Chef, übernommen hat, gilt er als Hoffnungsträger im verkrusteten Verband. Mit seinen 59 Jahren ist er neben Franz Beckenbauer so etwas wie der Benjamin im Altherrengremium – und allein schon deshalb die einzige Alternative zum 71-jährigen Nochpräsidenten Mayer-Vorfelder.
Doch Zwanziger zeichnet mehr aus als sein Alter. Auf leisen Sohlen ist er in den vergangenen Jahren zu einem der mächtigsten Sportfunktionäre im Lande aufgestiegen. Er ist nicht nur Schatzmeister und Vizepräsident des mit seinen über 6 Millionen Mitgliedern größten Sportverbandes der Welt, er ist einer der vier Köpfe des Organisationskomitees der FußballWM 2006, verantwortlich für die Bereiche Personal, Recht und Finanzen. Vor 16 Jahren holte der spätere DFB-Präsident Egidius Braun Zwanziger zum DFB. Seitdem gehört er dem Vorstand an. Der DFB-Ehrenvorsitzende Braun, auch heute Unterstützer des Präsidentschaftskandidaten, konnte sich seinen Ziehsohn damals schon als späteren DFB-Chef vorstellen. „Ich konnte mit den Kleinen reden und mit den Großen, er kann das auch“, sagte Mayer-Vorfelders Vorgänger, als Zwanziger vor gut einem Jahr in das WM-Organisationskomitee aufgenommen wurde.
Mit den Kleinen reden, das tut Zwanziger vor allem in seinem Heimatclub, dem VfL Altendiez. Er ist immer noch stellvertretender Vorsitzender des Vereins, für den er bis 1975 gegen den Ball getreten hat. Da hatte für den promovierten Juristen die berufliche Karriere längst begonnen. Er arbeitete als Steuerinspektor und war Dezernent der Kreisverwaltung Montabaur. 1980 wurde er Verwaltungsrichter in Koblenz. Auch der politische Aufstieg des CDU-Mannes hatte begonnen. Der Familienvater (zwei Kinder) zog 1985 in den rheinland-pfälzischen Landtag ein. 1987 wurde er Regierungspräsident von Koblenz. Aus dieser Zeit stammt auch seine Erfahrung als Aufständischer gegen das Sonnenkönigtum. Denn er war maßgeblich an der Entmachtung von Ministerpräsident Bernhard Vogel beteiligt. Auf einem Landesparteitag 1988 in Bad Dürkheim bezog Zwanziger Stellung gegen Vogel: „Wir sollten mehr daran denken, Staat und Partei zu trennen“, sagte er und spielte damit auf den monarchischen Regierungsstil Vogels an. Despotisches Verhalten wirft er nun auch Gerhard Mayer-Vorfelder vor, indem er ebenso zurückhaltend wie bestimmt formuliert: „Ich habe feststellen müssen, dass sein Führungsstil, nicht der ist, der in einem demokratisch ehrenamtlich geprägten Verband überall auf Freude stößt.“
ANDREAS RÜTTENAUER