: Tödliche Bombe im Krankenhaushof
Im größten russischen Militärstützpunkt Mosdok lässt ein mutmaßlicher tschetschenischer Attentäter einen Lastwagen mit Sprengstoff explodieren. Mindestens 50 Menschen sterben. Präsident Putin droht mit hartem Vorgehen gegen „Terroristen“
von BARBARA OERTEL
Wladimir Putin fand klare Worte: „Es wird den Terroristen nicht gelingen, uns ihren verbrecherischen Willen aufzuzwingen“, erklärte Russlands Präsident in einem Kondolenzschreiben an die Hinterbliebenen der Opfer. Auch für Vizestaatsanwalt Sergej Fridinski war der Fall klar: Dieses sei ein gut geplanter Terrorakt gewesen. Die Kriminellen versuchten weiter, Schwachstellen in der Verteidigung von Militärstützpunkten herauszufinden.
Kurz zuvor hatte Putin, dessen Gesicht weitgehend die Farbe seines grauen Anzuges angenommen hatte, in Moskau mit den Spitzen des Inlandsgeheimdienstes FSB und der Generalstaatsanwaltschaft über die Folgen des Anschlags beraten. Am Freitagabend hatte ein mutmaßlicher tschetschenischer Selbstmordattentäter vor dem Militärkrankenhaus im nordossetischen Mosdok einen Lastwagen mit einer Tonne Sprengstoff explodieren lassen. Bis gestern Morgen hatte der Zivilschutz 50 Leichen aus den Trümmern des vierstöckigen und komplett zerstörten Gebäudes geborgen. Von mehr als 80 Verletzten wurden noch 64 in Krankenhäusern behandelt.
Russlands Verteidigungsminister Sergej Iwanow traf am Samstag in Mosdok ein. Im Visier der Ermittler stünden nicht nur die Urheber der Tat, sondern auch Sicherheitsmängel in der Stadt, sagte Iwanow. Er habe den Leiter der Garnison suspendiert, weil dieser trotz Befehlen keine Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor Selbstmordanschlägen mit Autos ergriffen habe.
Der Leiter der Klinik, Oberstleutnant Artur Arakelian, wurde wegen „Befehlsverweigerung“ und „krimineller Fahrlässigkeit“ festgenommen, wie der für den Nordkaukasus zuständige Militärstaatsanwalt erklärte. Arakelian habe nicht für ausreichenden Schutz des Gebäudes gesorgt.
Abgesehen von diesen beiden Bauernopfern war die Frage, wie der Lastwagen die Absperrungen überwinden konnte, auch gestern weiter unklar. Mosdok ist der größte russische Militärstützpunkt, von dem aus die Armee gegen Unabhängigkeitskämpfer im benachbarten Tschetschenien vorgeht und eine der bestbewachten russischen Städte. Zivilisten haben keinen Zugang zur Garnison, die durch zahlreiche Kontrollpunkte gesichert ist. In dem zerstörten Krankenhaus wurden Soldaten behandelt, die in Tschetschenien eingesetzt worden waren.
Angesichts der Terrorismusvorwürfe meldete sich auch Salambek Maigow, Sprecher des entmachteten tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow, zu Wort. Maschadow habe nichts mit der Explosion zu tun. Er könne aber nicht für andere Separatistengruppen sprechen. „Wir (…) verüben solche Taten nicht“, sagte er.
In Tschetschenien wurden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Zum Schutz von Kliniken, Raffinerien und anderen wichtigen Gebäuden seien in allen Städten rund um die Uhr Patrouillen im Einsatz, meldete die russische Agentur Itar-Tass. Auch in Moskau patrouilliert die Polizei seit Anfang Juli verstärkt, nachdem zwei tschetschenische Terroristinnen bei einem Konzert 15 Menschen getötet hatten.
Die Vorsichtsmaßnahmen sind nicht unbegründet: Putin will an den Präsidentenwahlen im umkämpften Tschetschenien am 5. Oktober festhalten. Lediglich der Liberale Boris Nemzow sah sich genötigt, Zweifel anzumelden. „Die Serie der Anschläge wird nicht abreißen, solange das Problem Tschetscheniens nicht grundlegend gelöst ist“, sagte Nemzow. Niemand solle sich bei dieser Wahl aufstellen lassen, der nicht einen überzeugenden Lösungsvorschlag habe.
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