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Archiv-Artikel

Die Verzweiflung der Frauen

Mit sanfter Präzision zerstört Willa Cather eine Liebesillusion: „Mein ärgster Feind“

Willa Cather gehörte zu den angesehensten amerikanischen SchriftstellerInnen der ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts. Das war dieselbe Zeit, zu der auch Gertrude Stein, Djuna Barnes und F. Scott Fitzgerald publizierten. Cather jedoch, die 1923 den Pulitzerpreis bekam, ging andere Wege als die literarische Avantgarde. Obwohl sie jahrelang in New York lebte, hielt es sie nicht lange im Dunstkreis der städtischen Boheme. Im mittleren Westen aufgewachsen, war und blieb sie eine Tochter der Prärie, die auch in ihrem Schreiben immer wieder eine große Rolle spielte.

In Deutschland war Willa Cather lange aus dem Blick geraten. Nun legt der Knaus Verlag mit „Mein ärgster Feind“ bereits die zweite Neuübersetzung eines Cather-Romans vor. Genau genommen handelt es sich eher um eine Novelle. Nur einschließlich des lesenswerten Nachworts von Antje Rávic Strubel kommt der Band auf über hundert Seiten. Doch das reicht aus, um einen verstörenden Eindruck zu hinterlassen. Es schadet nicht, sich vor der Lektüre einen warmen Pullover zurechtzulegen.

Mit sanfter, doch unerbittlicher Präzision zeichnet Cather ein eisiges Bild von der Zerstörung einer großen Illusion: der Liebe für immer. Eine Frau steht im Mittelpunkt dieser Erzählung, Myra Henshawe, die, ihre vollständige Enterbung in Kauf nehmend, ihre Jugendliebe heiratet, den deutschstämmigen Sohn eines mittellosen Lehrers, und mit ihm aus der Provinz nach New York geht. Diese Vorgeschichte wird kurz referiert von der Erzählerin, der jungen Nellie, die aus demselben Ort stammt wie Myra Henshawe. Das junge Mädchen ist zunächst berührt vom emotional warmen Umgang der Eheleute Henshawe miteinander, zudem stark beeindruckt von Myras zahlreichen Freundschaften mit Schauspielern und Künstlern. Doch Nellie kann nicht umhin, auch andere Dinge zu bemerken: Myras spürbare Unlust, die Geschäftspartner ihres Mannes mit derselben Herzlichkeit zu bewirten wie ihre eigenen Künstlerfreunde sowie eine Tendenz zur Herrsch- und Eifersucht.

Als zehn Jahre später eine erwachsene Nellie die Henshawes wiedertrifft, bewohnt das Ehepaar ein schäbiges Apartment in einer schäbigen Westküstenstadt. Von der Rezession in Armut gestürzt, ist Myra jede Möglichkeit genommen, sich der Welt weiterhin als großzügige Freundin und Mäzenin zu zeigen. Die tödliche Krankheit, an der sie nun leidet, ist nicht zuletzt ein starkes Symbol für die Unfähigkeit, sich mit den Verhältnissen zu arrangieren. Ihr Siechtum verbringt sie in Bitterkeit und der Überzeugung, ihr Leben sinnlos einer Liebe geopfert zu haben, die erlebt zu haben ihr nun nichts mehr nützt. „Warum muss ich so sterben, allein mit meinem ärgsten Feind?“, hört Nellie die Kranke eines Nachts zu sich selbst sagen, während ihr Mann, der sie die ganze Zeit hingebungsvoll pflegt, daneben sitzt. Dass Myra sich zum Sterben schließlich in die Einsamkeit der Natur zurückzieht, ist da fast tröstlich.

Aus heutiger Sicht ist das Aufsehen, das dieser Roman bei seinem Erscheinen 1926 erregte, nicht mehr wirklich nachvollziehbar, zu sehr haben die gesellschaftlichen Konventionen sich geändert. Und doch ist es Cather gelungen, eine Verzweiflung einzufangen, die so existenziell ist, dass sie auch achtzig Jahre später noch frösteln macht. Die Tatsache, dass die Erzählperspektive nicht der Hauptfigur selbst, sondern einer beobachtenden Nebenfigur übertragen worden ist, stellt eine große emotionale Distanz zum Geschehen her. Die Einsamkeit jener mit dem Leben unversöhnten Frau wird dadurch vollkommen. KATHARINA GRANZIN

Willa Cather: „Mein ärgster Feind“. Aus dem Amerikanischen von Stefanie Kremer. Knaus Verlag, München 2008. 112 S., 14,95 Euro