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Archiv-Artikel

Arbeit mit Geschichtsmüll

Im Intershop 2000, auf der Brache an der Oberbaumcity, erhält man Ostprodukte mit dazugehörigen Storys. Nach dem Lenin-Film hat ein regelrechter Boom eingesetzt, meint die Besitzerin Elke Matz

von ANJA BARTH

Auf einer riesigen Brache in der Oberbaumcity stehen einsam zwei so genannte „transportable Raumerweiterungshallen“. Das Gras ringsherum ist hoch, aber ein paar verstreute Stühle deuten an, dass man sich hier gelegentlich zum Plausch trifft. Alles wirkt etwas verramscht und ungenutzt. Tatsächlich jedoch öffnet der „Intershop 2000“ für Besucher von Mittwoch bis Sonntag in der Ehrenbergstraße die leicht schiefen Türen von einer seiner beiden Hallen.

Bekanntermaßen diente der Intershop früher dem „Ossi“, um einen Einblick in die bunte Warenvielfalt des Kapitalismus zu gewinnen. Heute treffen sich Ossis und Wessis, um Ostprodukte und ihr zum Teil recht eigenwilliges Design zu begutachten. „Die Wimpelkette können Sie auch noch mitnehmen, die verborge ich immer als Requisite“, ruft Elke Matz einem Paar zu, das eine Ostalgieparty veranstalten will – mit Wimpelkette und dazu gehörigem DDR-Winkelement.

Alles was ostig erscheint, ist im Intershop 2000 erhältlich: Neben besagter Kette aus DDR-Fahnen über das passende Mitropa-Geschirr bis hin zum Scheuermittel Ata und den komischen grünen Glasvasen.

„Seit dem Lenin-Film kommen immer mehr Leute hierher“, sagt die Inhaberin des Ladens. Elke Matz ist eine typische Händlerin, der man auf Berliner Flohmärkten begegnet: sympathisch, viel und etwas zu laut redend. Der Intershop 2000 ist ihr Projekt. Kurz nach dem Fall der Mauer erkannte die Westberlinerin relativ schnell, dass im Osten einiges zu holen ist. „Da waren ganze Hallen voll mit Beständen der volkseigenen Betriebe, die keiner haben wollte. Also habe ich das Zeug abgeholt und eingelagert.“ Vieles davon war damals kostenlos zu bekommen und verkauft sich heute hervorragend. „Arbeit mit der Geschichte, dem Geschichtsmüll“, nennt sie das.

Besonders stolz ist Matz auf ihre vollständige Mitropa-Sammlung, die sie schon öfter ausgestellt hat. Neben dem Verkauf nutzt sie die Hallen vor allem für Ausstellungs- und Tauschaktionen. Die Leute kommen und bringen ihren alten Ramsch: „Ich habe hier noch ein original Mitropa-Kartenspiel“, preist eine ältere Dame ihr Ostprodukt an. Und es kommen natürlich die, die das wiederum kaufen. Wie die junge Frau, die auf der Suche nach einem zonekultigen Wohnzimmertisch ist.

„Haben Sie etwas typisch Ostiges da?“, sei die Hauptfrage, bemerkt Ingin Reiher, eine aus dem Kiez, die im Laden mithilft. Natürlich hat sie gleich etwas dazu zu erzählen. Und schon hat man sich wieder vertieft in Fachsimpeleien über DDR-Bieretiketten oder wahlweise auch die nächste Ostalgieparty.