peter ahrens über Provinz : Die Gutealtesportschau
„Wohin der Ball ging, Sie sahen es“ – das ist wirklich zu einfach
Noch ein allerallerletztes Wort zur neuen „Sportschau“. Beziehungsweise zur Gutenaltensportschau. Die es ja schon deswegen gar nicht mehr geben kann, weil es Adi Furler nicht mehr gibt, da kann Reinhold Beckmann noch so viel in der Gegend herumheucheln von wegen Fernsehnostalgie und öffentlich-rechtlichen Prinzipien. Nachdem der Mann jahrelang bei den Privaten genau das gegenteilige Liedchen geträllert hatte und sich vor lauthalsem Lachen fast in die Hose machte darüber, wie altbacken und verstaubt die Faßbenders und Luchtenbergs von der ARD mit dem Fußball umgegangen seien. Na ja, wes Brot ich ess’, des Lied ich sing’, oder Cuius regio, eius religio hätte der Sportskamerad Franz Josef Strauß dazu wohl gesagt, der ja bekanntlich der letzte Politiker war, der auch eine Fremdsprache, also Latein, beherrscht hat. Er hätte demnach auch problemlos, also rein zungentechnisch, Italienurlaube bestreiten können, ohne sie absagen zu müssen, weil nicht in der Lage, sich in Rimini in der Landessprache ein Radeberger Pils zu bestellen.
Noch einmal kurz zu Adi Furler. Dem Mann, der klingende Namen in die deutsche Sportberichtbestattung eingebracht hat wie „Windwurf“, „Orofino“ oder „Lombard aus dem Gestüt Schlenderhan“. Das war ein Galopper des Jahres, und von ebendem ist mir bei dem ganzen „Sportschau“-Renaissance-Tralala der vergangenen Tage doch ein bisschen wenig die Rede gewesen. Weshalb es hier en passant erwähnt werden sollte.
Aber, wie gesagt, kein Wort mehr davon. Vielleicht nur noch das eine, weil es mir gerade einfällt. Mein Liebling aus dem alten „Sportschau“-Team war ja weniger der Fleisch gewordene Seitenscheitel, Ernst Huberty, der nun allerorten wie Kai aus der Kiste sein faltiges Haupt vor grobkörnigen Schwarzweißaufnahmen zur Schau stellt und den ich höchstens für seinen Standardkommentar ins Herz geschlossen habe: „Wohin der Ball ging, Sie sahen es.“
Nein, mein besonderer Freund war der gern unterschätzte Manfred Vorderwülbecke aus dem Süden dieser Republik, der die Skispringer so wunderschön „übern Bakken“ gehen ließ – ein Ausdruck, der seit der Machtübernahme der RTL-Skisprung-Berichterstattung leider auf die rote Liste aussterbender Faßbenderensien der Sportpublizistik geraten ist.
Warum ich Vorderwülbecke so gern hatte? Er gab mir das gute Gefühl, selbst als kleiner Junge viel mehr vom Sport zu verstehen als der große Reporter im Fernsehen. Weil jedes Mal, wenn Vorderwülbecke über einen Ski-Abfahrtsläufer sagte: „Hui, er ist sehr schnell unterwegs. Das dürfte eine neue Bestzeit geben“, man sicher sein konnte, dass bei der nächsten Zwischenzeiteinblendung ein horrender Rückstand auf den bis dato Führenden dokumentiert wurde. Das war sehr schön. Ich habe das zum Beweis alles noch schwarz auf weiß, weil ich dereinst im grauen, schneelosen Paderborn vor dem Fernseher mit einem kleinen abgegriffenen Taschenkalender gesessen und dort akribisch alle Zwischenzeiten von Franz Klammer, Ingemar Stenmark oder Gold-Rosi mitnotiert habe. Irgendwann verlegte sich Vorderwülbecke dann auf das journalistisch etwas trittsicherere Terrain der Ski-Gymnastik und brachte gemeinsam mit Rosi Mittermaier und Max Greger eine Schallplatte heraus: Die neue Tele-Ski-Gymnastik, die man heute interessanterweise im Internet vor allem auf spanischen Disco-Websites zitiert findet. Das nur so am Rande bemerkt.
Aber ich wollte gar nichts mehr über die „Sportschau“ schreiben. Es ist doch alles gesagt, alles ist bekannt. Warum Delling keine Krawatte trug (zu heiß), wie viele Minuten Fußball gezeigt wurde (41,3) und was die Unterschiede zwischen seriöser gebührenfinanzierter Berichterstattung (Beckmann, Rubi) und einstmals privat gesponserter Sportsensationshascherei (Beckmann, Wonti) sind. Dass Sat.1, vulgo „die Schweine“ genannt, jahrelang ausschließlich über den Trikottausch der Spielerfrauen berichtete und mit Geifer im Mundwinkel die sexuellen Vorlieben von Trainerdarstellern („Gebt ihm eine Möhre“) kolportierte und den mündigen Zuschauer damit um „die schönste Nebensache der Welt“ (Bild, Frankfurter Allgemeine, Magdeburger Volksstimme, taz) gebracht hat, während bei ARD und ZDF seit jeher emanzipatorische Volksaufklärung („Schickt ihn in die Pampa“), guter Geschmack (Beckmann) und investigativer Journalismus (Waldi) quasi ein Dauerabonnement gelöst hatten. Und seit die ARD überträgt, gewinnt auch Bayer Leverkusen (Calli) wieder.
Nur kein Wort mehr davon.