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Archiv-Artikel

Rappend zum Olympiasieg

Dreispringer Charles Friedek träumt vom Olympiasieg. Die deutschen Meisterschaften am Wochenende dienen als Leistungscheck. Nach der sportlichen Karriere will Friedek nur noch singen

VON DANIEL THEWELEIT

Charles Friedek beginnt auf den Hinterbeinen seines Stuhles zu kippeln, als er daran denkt, dass in fünf Wochen die Olympischen Spiele beginnen. Dann spricht er leise, aber mit fester Stimme: „Ich weiß, dass mein Körper den Olympiasieg hergeben kann. Aber noch viel wichtiger ist: Gibt mein Kopf das her?“ Olympiasieg, was für ein großes Wort. Er sei „vorsichtiger geworden“ nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre, aber die verführerische Kraft des Goldes ist doch zu mächtig. Wie auf seinem Stuhl balanciert der Dreisprung-Weltmeister von 1999 irgendwo auf der Kante zwischen dem Traum vom Triumph in Athen, dem Austritt aus der Welt des öffentlichen Sports und einer ungewissen Zukunft. Friedek ist 32, oft verletzt und in den vergangenen Jahren gelangen ihm nicht die Erfolge, die nach dem WM-Titel von ihm erwartet wurden. „Man macht sein Selbstbewusstsein oftmals nur an der sportlichen Leistung fest und diesen Sportler habe ich in den letzten Jahren gehasst“, sagt er. Das klingt schrecklich. „Der Selbstzweifel“, sagt sein Trainer Bernd Knut, „ist sein größter Feind“.

Vor den Deutschen Meisterschaften am Wochenende in Braunschweig klingt Friedek jedoch Mal wieder zuversichtlich. „Ich glaube, ich werde mit einer Bombe einsteigen“, kündigt er an, nachdem ihm zuletzt eine Verletzung zu schaffen machte. Das alte Problem mit dem Oberschenkel – irgendwo zwischen Bizeps und Sehnenansatz – droht, stets der Schwachpunkt seines Körpers. Friedek ist deshalb verdammt froh, dass er bereits für Olympia qualifiziert ist. Ein Satz auf 17,40 Meter bei einem Meeting in Wesel im Mai führten ihn zurück in die Weltspitze. In diesem Jahr flogen bislang nur vier Springer weiter, und Friedek sagt: „Ich hatte immer den Vorteil, dass ich draufpacken konnte, wenn es ernst wurde“.

Und es wird ernst. Von Olympia hängt viel ab. Nachdem Friedek nicht mehr an seinen Jura-Abschluss glaubt, wähnt er die Chance auf eine Karriere im Musikbusiness. Schon vor Sydney nahm die Deutsche Olympiamannschaft unter seiner Regie einen Song auf. Jetzt hat er gemeinsam mit einem Freund ein Stück mit dem sinnigen Titel „Jump“ getextet und komponiert, „so rapmäßig“. Der Erfolg könnte eng mit dem Abschneiden in Athen zusammen hängen. Er sucht einen Deal mit einer Plattenfirma und da ein olympischer Medaillengewinner durch die Fernsehshows gereicht wird, ließe sich so ein Song im Erfolgsfall wunderbar vermarkten. Seine Geschichte passt ohnehin bestens in das Couchtalk-Ambiente von Stefan Raab oder Thomas Gottschalk.

Zufall ist es wohl nicht, dass Friedek Musik macht, denn auch dort kann man die Nummer 1 werden – wie in der Leichtathletik. Als mäßig talentierter Amateurfußballer griff er eines Tages nach den Kreisbestenlisten seiner Heimatstadt Gießen und suchte nach einer Disziplin, in der er die Spitze erobern konnte. Er entschied sich für den Dreisprung, arbeitete fleißig, wurde 1998 Weltcup- und Grand-Prix-Gesamtsieger sowie 1999 Weltmeister in der Halle und im Freien. Als ersten dunkelhäutigen deutschen Leichtathletik-Weltmeister fanden ihn alle aufregend, mit den üblichen Nebeneffekten. Heute fasst er die Entstehung seines Images etwas genervt so zusammen: „Sohn eines GI, mit sechs Jahren vom Vater verlassen, Schwarzer, bla bla. Das ist interessant, das gab eine Menge Hype“. Es folgten schwierige Jahre. In Sydney 2000 startete er als Goldkandidat mit einem Sehnenanriss im Knie, erreichte zwar das Finale, wurde dort aber Letzter, verpasste die Qualifikationen für die WM 2001 und 2003 und galt fortan als schwieriger Typ. „Weil ich immer die Wahrheit sage“, erklärt er, oftmals habe ihm die Berichterstattung daraufhin „richtig weh getan“. Selbst den zweiten Platz bei der EM in München 2002 werteten viele als Enttäuschung.

Geschlagen wurde er damals nur vom gegenwärtig stärksten Dreispringer der Welt, Christian Olsson. Der Schwede ist auch Favorit in Athen, aber Friedek merkt gerade, dass er neue Bestleistungen in den Faktoren Sprint- und Kraftwerte zu Stande bringt. „Es wird Zeit, dass ich wieder maximal springe, damit ich den anderen Jungs den Hintern versohlen kann“. In Wahrheit träumt er wohl davon, seinen gefährlichsten Feind, den Selbstzweifel, so zu verprügeln, dass er sich erst wieder nach dem Wettkampf von Athen blicken lässt.