Sicherheitsrisiko erheblich

Die vom CDU-Senat geplanten Änderungen des Polizeigesetzes könnten verfassungswidrig sein. Das findet zumindest Hamburgs Datenschutzbeauftragter unter Berufung auf ein noch unveröffentlichtes Urteil aus Karlsruhe

von Kai von Appen

Die geplanten Verschärfungen des Hamburger Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (SOG) durch den Rechts-Senat könnten verfassungswidrig sein. Das ergibt sich aus einem kaum beachteten Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Außenwirtschaftsgesetz, das Paragraphen zum Schnüffeln und Lauschen zur Gefahrenabwehr durch das Zollkriminalamt für rechtswidrig erklärte. Ob dieses Urteil relevant ist, kann erst gesagt werden, wenn der Gesetzestext vorliegt. „Es gibt zwar alle möglichen Versionen aus nicht immer verifizierbaren Richtungen“, sagt Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hans-Herrmann Schrader, „der Volltext ist aber noch unter Verschluss.“

Ob eine normale Pressekonferenz oder eine Messerstecherei auf dem Kiez: Innensenator Udo Nagel (parteilos) und Polizeipräsident Werner Jantosch lassen derzeit keinen Anlass aus, drastische Verschärfungen im neuen SOG zu fordern: verdachtsunabhängige Personenkontrollen und Telefonüberwachung, Videoüberwachung öffentlicher Plätze, DNA-Analysen als normalen Bestandteil erkennungsdienstlicher Behandlung, Unterbringungsgewahrsam bei Demonstrationen, so die Highlights des Law-&-Order-Katalogs.

Schrader macht keinen Hehl daraus, dass er gegen verdachtsunabhängige Kontrollen als „Generalverdacht gegen alle HamburgerInnen“ und die „flächendeckende Videoüberwachung“ in Hamburg Sturm laufen wird. „Gerade präventive Maßnahmen unterliegen besonderen Einschränkungen und verlangen eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Verdacht bestätigt“, begründet er seine massiven Bedenken. Im Bereich der „präventiven Einschränkungen“ von Bürgerrechten habe gerade das BVerfG im März ein „bahnbrechendes Urteil“ gefällt und „hohe Kategorien“ gesetzt.

Schraders Bedenken stützen sich nicht nur auf den Spruch der Karlsruher Verfassungsrichter im Zusammenhang mit „akustischer Wohnraumüberwachung“ – dem so genannten „Großen Lauschangriff“ –, sondern vielmehr auf das am gleichen Tag gesprochene Urteil zur „Überwachung des Postverkehrs und der Telekommunikation nach dem Außenwirtschaftsgesetz“. Auch dieses Gesetz ist in wesentlichen Teilen für verfassungwidrig erklärt worden. „Das ist in Hamburg den Beteiligten noch gar nicht aufgefallen“, sagt Schrader ein wenig süffisant.

Das geschasste Gesetz regelte die Eingriffsbefugnisse des Zollkriminalamtes in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis zur Gefahrenabwehr im Auslandsverkehr. Es gebe ein „erhebliches Risiko“, wenn sich Überwachungsmaßnahmen auf Verhalten, aber nicht auf konkrete Tatbestände stützen, die sich „im Nachhinein als strafrechtlich irrelevant erweisen“, so das BVerfG.

Selbst Polizeiexperten halten die Pläne von Nagel & Co für gefährlich. „Es muss Grundlagen für polizeiliches Tun und Lassen geben“, sagt ein der taz bekannter Hamburger Kriminalist. Durch Nagels Persilschein für Kontrollen würden Willkür Tür und Tor geöffnet. „Der Beamte muss nicht mehr nachdenken, was er tut, ob sein Handeln gesetzlich korrekt und gerechtfertigt ist“, so der Experte. „So muss jeder Hamburger damit rechnen, wenn er von der Oper nach Hause fährt, kontrolliert zu werden.“ Bei den Denkstrukturen vieler Beamten und den vorhandenen Ausbildungs-Defiziten in rechtlichen Bewertungen könne dies nur schief gehen. „Ich merke schon jetzt immer wieder, dass es Beamte gibt, die glauben mit der Begründung ‚Gefahr in Verzug‘ in jede Wohnungen eindringen zu können“, sagt der Experte. Auch eine flächendeckende Videoüberwachung bringe keine Erfolge. Am Hamburger Hauptbahnhof etwa gebe es über 100 Überwachungskameras. „Die Kriminalitätszahlen sind in dem Bereich weiterhin hoch.“