: Das Treffen Abbas-Scharon wird verschoben
Israel entlässt heute die erste Gruppe von Häftlingen. Zu wenig, meinen die Palästinenser und sagen den Termin ab
JERUSALEM taz ■ Israel wird heute die erste Gruppe palästinensischer Häftlinge entlassen. Anstelle von zunächst 540 für die erste Amnestiestufe vorgesehenen Gefangenen werden nur 339 Palästinenser entlassen. Weitere 100 Männer sollen nächste Woche auf freien Fuß kommen. Für den palästinensischen Premierminister Mahmud Abbas (Abu Masen) war die enttäuschend geringe Zahl der zur Entlassung bestimmten Häftlinge Grund für seine Absage des für heute geplanten Treffens mit Israels Premierminister Ariel Scharon. Abu Masen passte palästinensischen Berichten zufolge überdies das zeitliche Zusammentreffen der Amnestie und des Gesprächs mit Scharon nicht. Der Bericht der liberalen Tageszeitung Ma’ariw vom Dienstag, demzufolge Scharon das Treffen abgesagt habe, nachdem am Wochenende drei jüdische Siedler verletzt worden waren, wurde in Jerusalem nicht bestätigt.
Die Liste der Straftaten, derer die Palästinenser beschuldigt werden, die heute die Haftanstalten verlassen sollen, reicht von Autodiebstahl über illegalen Waffenbesitz, Steinwurf und Aufruf zur Gewalt bis hin zu Training in irakischen Lagern. Rund 90 Palästinenser gehören den islamisch-extremistischen Gruppen an. Bei knapp der Hälfte der Männer handelt es sich um Administrativhäftlinge, die weder einer Straftat überführt noch dafür verurteilt wurden.
Ein Großteil der Gefangenen hat ihre Haftzeit nahezu abgebüßt und wäre ohnehin in Kürze entlassen worden. Palästinenserpräsident Jassir Arafat nannte die Liste „einen Witz“. In Ramallah hatten schon am Vortag hunderte Mütter und Ehefrauen inhaftierter Palästinenser für die Freilassung ihrer Angehörigen demonstriert. Die Listen sind auf Hebräisch im Internet einsehbar.
In Jerusalem werden unterdessen Berichte abgestritten, nach denen die USA eine Einfrierung der bereits im vergangenen Jahr von Scharon angeforderten Kreditbürgschaften in Höhe von zehn Milliarden US-Dollar erwägen. Wie die New York Times erfahren haben will, ist der Bau der umstrittenen Trennanlagen, die Israel derzeit auf zumeist palästinensischem Gebiet errichtet, Grund für die mögliche Sanktion. Regierungssprecher Raanan Gissin hält die Berichte indes „für reine Gerüchte“, die „meines Wissens das Weiße Haus bereits dementiert hat“. An die Regierung in Jerusalem sei in dieser Angelegenheit „jedenfalls niemand herangetreten“. US-Präsident George W. Bush hatte gegenüber Abu Masen den israelischen Schutzwall als „ein Problem“ bezeichnet. Scharon lehnte einen Baustopp hingegen ab.
Die erste Bauphase von insgesamt knapp 150 Kilometer Zäunen, Mauern, Gräben und elektronischen Überwachungsanlagen wurde in der vergangenen Woche offiziell abgeschlossen.
In der Nähe des palästinensischen Dorfes Mascha unmittelbar an der Mauer, kam es zu Zwischenfällen, als eine Gruppe von Friedensaktivisten aus Israel, den Palästinensergebieten und aus dem Ausland vergeblich versuchte, den Abriss eines Wohnhauses zu verhindern. 41 der Aktivisten, darunter 36 Ausländer, wurden gestern von der Polizei verhaftet. SUSANNE KNAUL