: Auf zur Kaninchensuche in Neuhardenberg
Kritik schon vor Kabinettsklausur: Gewerkschaft und Kommunen gegen Plan, dass Arbeitslose Kinder betreuen sollen
BERLIN taz ■ Letztes Jahr gab’s eine vorgezogene Steuerreform. Aber dieses Jahr? Jedenfalls keine Kaninchen aus dem Hut. Dies antwortete Regierungssprecher Bela Anda auf die Frage, was die Regierung sich für den zweiten Ausflug ins brandenburgische Neuhardenberg vorgenommen hat, wo das Kabinett heute und morgen in Klausur geht. Rot-Grün wollte keine großen Erwartungen wecken – sonst fallen nachher alle bloß wieder über Mut- oder Geistlosigkeit her.
Aus rot-grünen Kreisen bestätigt wird mittlerweile allerdings, dass das Kabinett sozusagen eine Brücke von der Arbeitsmarktreform „Hartz IV“ zur Familienpolitik schlagen möchte. Der Plan sei demnach, arbeitslose ErzieherInnen und LehrerInnen in der Betreuung von Kleinkindern einzusetzen. Die künftigen BezieherInnen von Arbeitslosengeld II würden dann von den Kommunen bei der Bundesagentur für Arbeit angeheuert und für 1 bis 2 Euro Zusatz-Stundenlohn in Kindergärten und Betreuungseinrichtungen eingesetzt. Außerdem sollen andere arbeitslose AkademikerInnen etwa als HilfslehrerInnen in Schulen arbeiten. Über den Ausbau der kommunalen Beschäftigungsprogramme für Langzeitarbeitslose hat sich Wirtschaftsminister Wolfgang Clement mit den Chefs der Bundesagentur, Frank-Jürgen Weise und Heinrich Alt, am Sonntag geeinigt.
Gegen den Einsatz von „Minimüttern“ in der Kinderbetreuung verwahrte sich gestern bereits die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Wir brauchen keine Billiglösungen oder Verwahranstalten mit unqualifiziertem Personal“, erklärte GEW-Chefin Eva-Maria Stange.
Städtetag und Gemeindebund teilten mit, dass sie nichts gegen den Ausbau der Kinderbetreuung hätten. Familienministerin Renate Schmidt (SPD) brauche jedoch nicht so tun, als sei die Finanzierung mit den 3,2 Milliarden Euro gesichert, die die Kommunen vom Bund für „Hartz IV“ bekämen. Dieses Geld sei für die Unterkunftskosten der Langzeitarbeitslosen eingeplant – „man kann es nicht zweimal ausgeben“.
Von heute Abend bis morgen Nachmittag will das gesamte Kabinett plus Partei- und Fraktionschefs im Schloss 70 Kilometer hinter Berlin tagen. Auch die zwar als Präsidentschaftskandidatin gescheiterte, aber als Herzensgewinnerin nun profilierte Gesine Schwan wird eine Rede halten, wie die SPD aus dem Tief herauskommen könnte. Wahrscheinlich ist, dass sich Rot-Grün auf einen gemeinsamen Fahrplan zum Thema Bürgerversicherung einigen wird. Gegenwärtig basteln beide Parteien an getrennten Modellen. UWI
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