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Archiv-Artikel

VW do Brasil: Kündigungen in der Luft zerrissen

Konzern will in Brasilien fast 4.000 Arbeiter loswerden. Die wollen sich aber wehren. Nun gab es den ersten Warnstreik

PORTO ALEGRE taz ■ Die Arbeiter und Arbeiterinnen zweier VW-Werke im brasilianischen Bundesstaat São Paulo traten gestern früh in den ersten vierstündigen Warnstreik. Auf einer Betriebsversammlung am Montagnachmittag hatten 13.000 TeilnehmerInnen dem „Kampfplan“ der Gewerkschaftsführung zugestimmt und Kopien der Entlassungsschreiben zerrissen. Die Originale wurden der Personalabteilung überreicht.

Auch in Taubaté ist die Belegschaft nach einer zweistündigen Arbeitsniederlegung letzten Donnerstag zum Streik bereit. Sie wartete aber noch ein Treffen mit der Firmenleitung bei der Staatsanwaltschaft in Brasília ab. Wie bereits Mitte Juli angekündigt, hatte VW do Brasil Ende vergangener Woche „blaue Briefe“ an 3.933 „überschüssige“ Arbeiter verschickt. Für den Konzern handelt es sich dabei jedoch nicht um Entlassungen, sondern um einen „dringenden Umstrukturierungsprozess, um die Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunft der Firma zu gewährleisten“. Die Betroffenen sollen demnach in Werke wechseln, wo die Löhne niedriger sind – oder in das noch zu gründende Projekt „Autovisão“, in dem nach dem Vorbild der „Wolfsburg AG“ Beschäftigungsalternativen organisiert werden sollen. Dieses Konzept entspreche dem „Geist der VW-Unternehmenskultur“, schrieb Personalvorstand Peter Hartz an den Gewerkschaftschef José Lopez Feijóo.

Genau damit scheint es aber in Brasilien zu hapern. Denn Ende 2001 hatte sich die Firmenleitung nach einwöchigem Streik schriftlich auf eine Arbeitsplatzgarantie verpflichtet – bis November 2006 in São Bernardo, bis Februar 2004 in Taubaté. Im Gegenzug akzeptierte die Gewerkschaft die Reduzierung der Arbeitszeit bei 15-prozentigem Lohnverzicht bis hin zur Viertagewoche oder Kollektivurlaub in Krisenzeiten.

Auf der Betriebsversammlung kritisierte der Gewerkschafter Feijóo die „verkehrte, grausame, diktatorische Art“, wie VW in Brasilien agiere: „Herr Hartz, unter solchen Voraussetzungen brauchen Sie uns nicht einzuladen, um das Programm kennen zu lernen.“ Er wisse, dass die „Wolfsburg AG“ in langwierigen Verhandlungen unter Beteiligung von Stadtverwaltung und Bundesregierung entstanden sei. Das vor zwei Jahren erstrittene Abkommen müsse aber in jedem Fall respektiert werden, so Feijóo: „Hier in Brasilien gibt es eine Regierung und Gesetze. Von Deutschland aus kann man nicht beschließen, brasilianische Abkommen und Gesetze zu brechen.“

Dass die jüngsten Schritte einen Bruch des Abkommens bedeuten sollen, sieht VW nicht. Die Löhne würden so lange weitergezahlt, bis die betreffenden Arbeiter eine neue Anstellung gefunden hätten. An den Plänen zur Umstrukturierung wolle man festhalten, aber man sei dazu „bereit, das Gespräch mit den Gewerkschaften fortzusetzen“, heißt es in einer Erklärung der Firmenleitung. Unterdessen halten in São Bernardo weiterhin 7.000 Obdachlose das VW-Gelände gegenüber der Fabrik besetzt. Ein von dem Multi erwirkter Räumungsbefehl wurde vergangene Woche aufgehoben.

GERHARD DILGER