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Archiv-Artikel

„Hauptstadt Israels ist Jerusalem, nicht Haag“

Israel bleibt harthörig: Justizminister nennt Haager Richterspruch „überflüssige Episode, die der palästinensischen Propaganda dient“

JERUSALEM taz ■ Israels Regierung lehnt das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs ab. „Die Hauptstadt Israels ist Jerusalem, nicht Haag“, kommentierte Justizminister Tommi Lapid. Juristisch bindend seien ausschließlich die Urteile des Obersten Gerichtshofs in Jerusalem. Oppositionspolitiker Jossi Sarid machte die „Fehler der israelische Regierung“ für die „antiisraelische Entscheidung“ verantwortlich. Die arabisch-israelische Partei Chadash will kommende Woche ein Misstrauensvotum einreichen. Die Regierung müsse den Forderungen nach Abriss der bereits errichteten Sperranlagen nachkommen und den betroffenen Palästinensern Wiedergutmachung zahlen.

Lapid bedauert, dass die „politische“ Angelegenheit der Sperranlagen überhaupt zur Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof kam. Vom Ausgang zeigte er sich wenig überrascht. „Wir sind es gewohnt, in der UN in der Minderheit zu sein“, meinte er. Schade sei dennoch, dass der Gerichtshof den israelischen Sicherheitserwägungen beim Bau der Trennanlagen keinerlei Berücksichtigung geschenkt habe. Hier gehe es um eine „überflüssige Episode, die der palästinensischen Propaganda dient“. Noch vor wenigen Monaten hatte der Justizminister die Regierung mit Blick auf die Anhörung in Den Haag zu einer Verlegung der Sperranlagen, so dicht wie möglich an der Waffenstillstandslinie von 1967, angehalten.

Die Regierung Ariel Scharons hatte im Juni 2002 aufgrund zahlreicher Terroranschläge die Idee der Arbeitspartei aufgegriffen, Trennanlagen zwischen Israel und den Palästinensergebieten zu errichten. Die Initiatoren, allen voran Expremier Barak, planten parallel zur Errichtung des Sperrwalls die Auflösung zahlreicher Siedlungen und eine Umstationierung des frei werdenden Sicherheitspersonals an die „temporäre Grenze“. Dem entgegen ließ die Regierung Scharons die Trennanlagen so errichten, dass zahlreiche jüdische Siedlungen auf „israelischer Seite“ blieben. Damit entstanden palästinensische Enklaven; mehrere Ortschaften sind heute von der Umwelt abgeschnitten.

Über 200.000 Palästinenser sind bereits unmittelbar betroffen, dabei steht erst knapp ein Drittel der insgesamt geplanten rund 700 Kilometer Trennanlagen. Vor gut einer Woche entschied der Oberste Gerichtshof in Jerusalem zugunsten mehrerer palästinensischer Dörfer, die gegen die Landenteignung und die Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit eine Petition eingereicht hatten. Das Verteidigungsministerium ist laut Urteil verpflichtet, ein Teilstück von 30 Kilometern zu verlegen. Weitere Urteile stehen bevor.

Von der palästinensischen Führung wurde das Urteil begrüßt. „Ich bin sicher, dass der Haager Gerichthof den Bau des Zauns, der unser Volk zerstört, aufhalten kann“, hofft Palästinenserpräsident Arafat. In Jerusalem wurde die Vermutung laut, die palästinensische Führung könnte nun versuchen, die Angelegenheit vor den Weltsicherheitsrat zu bringen. SUSANNE KNAUL