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Archiv-Artikel

Barfly fliegt weiter

Seit zehn Jahren organisiert Christian „Barfly“ Zurwellen die Konzertreihe „Blue Moon Bar“. Nun ist er mal wieder auf Veranstaltungsort-Suche

In programmatischen Fragen hat Barfly seinen norddeutschen Sturkopf

Unterwegs mit Herrn Barfly. Fastzusammenstoß mit einem Endvierziger, der erst unwirsch seine dunkelblonden Locken auf braungebrannten nackten Schultern schüttelt, um dann im breitesten Süddeutsch auszurufen: „Sagn‘s, san Sie ned dea Herrrr mit‘m guad‘n Musigg‘schmack aus da Eule!?“ Dabei fuchtelt der Frager aufgeregt vor Barflys alias Christian Zurwellens stoischer Miene. Der brummt leise vor sich hin und streicht sich verlegen durch‘s lange schwarze Haar. Der Dunkelblonde, sich nun seiner Sache fast sicher, nimmt‘s als Zustimmung und reißt den Daumen hoch: „Supa!“ Auch das quittiert der Blue-Moon-Bar-Macher Herr Barfly eher emotionslos mit einem gravitätischen Nicken.

Das passiere ihm immer mal wieder, sagt der 34-jährige Konzertveranstalter, und er wisse nicht so recht, wie er damit umgehen solle, weil: Zurzeit sei‘s halt eine bitter-süße Pille, dieses Lob. Schließlich ist es ja nun aus – mit dem „guad‘n Musigg‘schmack“ in der Lila Eule. Jedenfalls, was seine Veranstaltungsreihe angeht: Zurwellens Vertrag mit der Lila Eule wurde gekündigt. Lediglich als DJ wird er dort noch weitermachen.

Warum? „Es ist das alte Lied“, so Zurwellen, „die kaum überbrückbare Kluft zwischen Kunst und Kommerz“. Die Geschäftsführerin der Lila Eule, Konstanze Radziwill, sieht das anders: „Unser Engagement sehen wir eigentlich gerade darin, Kunst und Kommerz zu verbinden. Nur haben wir von vorneherein immer gesagt: Das, was wir mit der ‚Blue Moon Bar‘ probieren, ist ein spannendes, aber heikles Konzept. Jetzt müssen wir leider feststellen, dass eine bestimmte Richtung von Konzerten, bei denen nur zwanzig Leute kommen, auf Dauer für die Lila Eule nicht zu verkraften ist.“

Letztlich, so Zurwellen, sei es um eine „programmatische“ Frage gegangen, und da hat Herr Barfly seinen eigenen norddeutschen Sturkopf. Er vermische nun mal gern Tradition mit Moderne. Und in sein Konzept, das ist spürbar, lässt er sich nicht gerne reinreden: Zwar ist die Bandbreite von Modern Jazz, Hardbob, Bepop, Latin und Soul Jazz bis zum New Jazz und Rare Groove groß, aber innerhalb des Spektrums mag‘s Zurwellen gerne auch experimentell. Kann passieren, dass das Haus mitunter nicht voll wird. „Aber diese Musik deshalb nicht bieten?“ Nee, das könne er nicht.

Seit zehn Jahren ist Zurwellen nun unterwegs als Jazz-Konzert-Veranstalter und DJ und hat dabei in Bremen schon einige Wege zurückgelegt: Wüste Stätte, Café Normal, Studio auf den Höfen, Tower, Wall Cafè, Junges Theater Friesenstraße, Brauhauskeller, Rote Ratte im Musicaltheater, Güterbahnhof, Lila Eule.... Und jetzt, Herr Barfly? „Vorerst gründe ich eine Ich-AG.“

Er, Barfly, der ehemalige Barmann des Bistro Brasil, der nicht WG-taugliche Ex-Kindergärtner, Elektriker und Maurer, der „private Irre und Chaot“. Und der Mann mit der „Stehaufmännchen-Mentalität“: Immer wieder musste er mit seiner Konzertreihe umziehen im „Circus Maximus“ des Bremer Kneipen-, Klub- und Szenedschungels: „Morituri te salutant“ habe er immer wieder gerufen, um sich wieder aufzurappeln. Heute – ganz real als Herr Barfly – lässt er sich zu dem philosophischen Ausspruch: „Je tiefer man fällt, desto höher kommt man“ hinreißen.

Natürlich ist er jetzt auf der Suche nach einer neuen Location für die Blue Moon Bar. Es gäbe da auch schon gewisse Gespräche, vielleicht tingele er auch mit seiner Veranstaltungsreihe durch die Stadt... Er sei jedenfalls davon überzeugt, dass die Gastronomie nicht auf Live-Gigs verzichten kann und will. Hier wartet Zurwellen mit einer ganz und gar „ungermanischen“ Idee auf: Es sei doch realistisch, dass die Gastwirte immer draufzahlten, wenn sie das Risiko eingingen und sich ein bisschen Live-Kultur ins Haus holten. Sei es GEMA, Werbung, Technik etc. “Warum gibt es für diese Konzerte eigentlich nicht, wie etwa in Holland, eine kleine staatliche Förderung?“ Hier sei doch der Ansatz für eine sinnvolle Jazzszenen-Subvention, findet Zurwellen.

In spätestens einem Jahr will er sich seinen wirklich großen Traum erfüllen: Barfly in seiner ganz eigenen Blue Moon Bar. Denn: Aus seinem eigenen Laden kann man ihn ja kaum rausschmeißen. Da könne er seine Sache leben. Nämlich „generationsübergreifend Leuten Jazz jeglicher Couleur relaxt nahe zu bringen“. Da geht er hin, der Herr Barfly. Und lächelt sogar ein bisschen dabei. Daniela Barth

Am Freitag, 8. August, feiert Zurwellen mit musikalischen Gästen das zehnjährige Jubiläum der „Blue Moon Bar“: Die „Jam Session Nacht“ startet um 21 Uhr im Güterbahnhof, Tor 48