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Archiv-Artikel

Musik kann dich nicht mehr retten

Die Musikbranche ist im Umbruch: Die Digitalisierung setzt das einzelne Werk in einen völlig anderen Status. Darüber und über das Leben der Musiker in Zeiten der Postökonomie diskutierte man am Wochenende beim Kongress „Audio Poverty. Musik und Armut“ im Haus der Kulturen der Welt

VON ANDREAS HARTMANN

„Gut, dass wir noch mal darüber geredet haben“, so das Fazit von Christiane Rösinger, die das vorerst letzte Panel eines wahren Panel-Marathons in den letzten Wochen in Berlin zum Thema „Die Folgen der Digitalisierung für die Musik“ moderierte.

Bei dem Kongress „Dancing with myself“, bei der Transmediale und jetzt bei „Audio Poverty“ im Haus der Kulturen der Welt, überall bot sich schließlich das gleiche Bild: Es wurde viel diskutiert und lamentiert, ein echter Ausweg aus der Krise, deren wahre Auswüchse aufgezeigt zu haben das Verdienst dieser Kongress-Mania immerhin ist, wurde nirgendwo gefunden.

Stattdessen war auch bei „Audio Poverty“ wieder hauptsächlich von „Suchbewegungen“ die Rede, von der „Umbruchsphase“ einer ganzen Branche. Vielleicht war es sogar notwendig, bei „Dancing with myself“ und der Transmediale die Problematik – grob gesagt: Was bedeutet uns Musik heute überhaupt noch? – umrissen zu haben, um jetzt nach „Audio Poverty“ endgültig Klarheit darüber zu haben, dass der Paradigmenwechsel innerhalb des Kulturbereichs Musik definitiv nicht mehr umkehrbar ist. Man hat fast das Gefühl, dass die Verwirrung, die noch bei „Dancing with myself“ herrschte und Ausdruck in aufgeregten Tresendiskussionen fand, einem Gefühl der Niedergeschlagenheit gewichen ist.

Es war gut, noch einmal darüber geredet zu haben, um endgültig einzusehen: Die Digitalisierung wird nicht aufzuhalten sein, Musik wird weiter an gesellschaftlicher Relevanz verlieren. Aber auch: Jüngere Menschen interessiert das alles überhaupt nicht, auch bei „Audio Poverty“ waren die Ü-Dreißiger wieder unter sich und trugen gemeinsam und tapfer die Idee von einer Musik, die einmal „Leben retten“ und vielleicht sogar ein besseres Morgen aufzeigen sollte, zu Grabe.

Subventionierte Popmusik beispielsweise, da war man sich bei „Dancing with myself“ noch relativ einig, wollte man dann doch lieber nicht haben, schließlich, so hat es einen der Popdiskurs der letzten Jahrzehnte gelehrt, tötet Subvention Subversion. Doch als jemand aus dem Publikum bei dem von Christiane Rösinger moderierten Panel fragte, ob man denn als Musiker auch Geld vom Staat annehmen würde, da waren sich alle, und nicht nur die geladenen Repräsentanten der sowieso subventionierten „Neuen Musik“ einig: Leider ja.

Wovon soll man denn auch sonst leben, als Musiker, wenn man aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung und wegen des Internets als theoretisch kostenlosen Archivs für jede Form von Musik nicht mehr genügend Tonträger absetzt, die einem die Miete bezahlen? Um diese Frage ging es also bei „Audio Poverty“ noch einmal, aber auch darum, welche auch musikalischen Folgen solche Verarmungstendenzen innerhalb eines ganzen Kultursektors haben könnten.

Gar eine „Ästhetik der postökonomischen Musik“ wollte man herausarbeiten, weshalb das künstlerische Rahmenprogramm des Kongresses von einem barfüßigen Orgelspieler, Erfindern selbst gebastelter Instrumente und Musikern, die sich vor ihrem Auftritt zum Hungern in ein Kloster begeben hatten, bestritten wurde.

Den Vorwurf, den eine sogenannte Group Alberto Ukebana in einem verteilten Flugblatt erhob, nämlich Armut so auch zu romantisieren, den müssen sich die Veranstalter des Kongresses schon gefallen lassen. Schließlich wirkt es auch im Namen der Kunst einigermaßen albern, trotz hoch subventionierter Gagen so zu tun, als könnten sich Musiker nicht einmal mehr ein paar Schuhe leisten.

Immerhin: Ein Kongress über Musik, der dazu anregte, sich mit Flugblättern einzumischen, scheint auch den richtigen Nerv nicht verfehlt zu haben. Überhaupt herrschte bei manchen Veranstaltungen nicht bloß die übliche Panel-Routine, sondern da wurde auch mal richtig Dampf abgelassen.

Ganz großes Kino war dem entsprechend das Streitgespräch zum Thema „Keine Märkte, keine Waren, keine Zukunft?“, wo sich vor allem mit Dieter Gorny als Cheflobbyisten der Deutschen Phonoverbände und Achim Bergmann, Betreiber des sich immer noch in einem linken Milieu verortenden Münchner Labels Trikont, zwei klare Antipoden gegenübersaßen.

Bergmann, der selbst keinen Weg aus der Krise sah als den, den Leuten da draußen endlich wieder klarzumachen, dass auch die CD ein zu schützendes Kulturgut ist, warf Gorny vor, als ehemaliger Chef von Viva und der Popkomm eine ganze Branche zur „Schaumparty“ verunstaltet zu haben, um jetzt mit Zwangsmaßnahmen und dem Ruf nach einem Staat, der das freie Downloaden zu unterbinden hat, zu retten, was noch zu retten ist. Letztlich wollten beide, Bergmann und Gorny, dasselbe, nämlich auch weiterhin ein Stück vom Kuchen, doch man ging so ideologisch verhärtet aufeinander los, dass Bergmann Gorny und Marc Chung, der als Repräsentant der Indie-Labels für das Panel geladen wurde und in seiner Argumentation wie ein Büttel Gornys auftrat, erregt ein „Ihr seid schleimige Typen!“ entgegenschmetterte.

Johlen im Publikum, Klatschen, manche wollen sogar gehört haben, dass Chung Bergmann Schläge angedroht habe. Gut, dass wir noch mal darüber gestritten haben.