: Vatikanische Homophobie
betr.: „Missionar bezieht Stellung“ u. a., taz vom 1. 8. 03
Was das Christentum, das viele Homosexuelle in seinem Geschichtsverlauf ihres Lasters wegen verbrennen ließ, als „widernatürlich“ bezeichnet, wird schon in der griechischen Antike als „natürlich“ charakterisiert. Die Zölibatäre mit ihrem Anteil am Klerus von bis zu 40 % (Robert Arpin, Aids-infizierter, homosexueller Priester), deren Sinn auch nicht „auf Ehe und Kinderzeugung gerichtet“ ist, wären damals als klassische Vertreter der homosexuellen Spezies Mensch gesehen worden. Jedenfalls sind die Anschauungen der Menschen darüber, was „natürlich“ und was „widernatürlich“ ist, offenbar nicht immer und überall die gleichen und beileibe nicht verdammenswürdig, wie jetzt vom Vatikan neuerlich praktiziert. NORBERT SCHAAF, Koblenz
Das Traurige: Nun wird wieder ein Aufschrei der Empörung durch den aufgeklärten Teil der Republik gehen, und die Verstockten werden zufrieden die Mundwinkel spitz ziehen. Aber sonst? Okay, manch einer wird die Konsequenzen ziehen und dieser Kirche, die mit ihrer Wortwahl dem Nazi-Regime erschreckend nahe ist, den Rücken kehren. Zumindest das dürften Herr Ratzinger und Papst Johannes Paul II. erreicht haben. Mehr Frieden, mehr Liebe unter den Menschen haben sie mit ihrem Papier weiß Gott nicht gesät. […]
Das Amüsante: Vermutlich denken der Herr Kardinal und sein Chef, dass nun alle, die „gegen das natürliche Sittengesetz“ verstoßen, kurz in sich gehen und dann bekennen: Ich war sündig und will nun ganz schnell wieder gut werden. Das ist so niedlich, dass es von Helge Schneider sein könnte. PAUL HOCHMANN, Haltern
Der Aufruf des Präfekten der katholischen Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, zum Feldzug gegen die Homoehe hat bei den Betroffenen zu scharfen Reaktionen geführt. Der deutsche Wächter über die reine katholische Lehre wird als bornierter, ewiggestriger Dogmatiker verteufelt – ihm wird einmal mehr Unrecht getan.
Denn: Nicht alle, „die an dieser Anomalie leiden“, sind „persönlich dafür verantwortlich“. Männern mit derartigen Tendenzen muss „mit Achtung, Mitleid und Takt“ begegnet werden. Was wissen denn wir Ungläubige von der Gedankenwelt, in der ein Kardinal zu Hause ist. Üben wir Nachsicht und billigen dem Armen mildernde Umstände zu. Wer von der Idee des Katholizismus so besessen ist, muss doch zwangsläufig irgendwann den Verstand verlieren. UWE TÜNNERMANN, Lemgo
„Das natürliche Sittengesetz“, dem Homosexualität laut Vatikan zuwiderläuft, untergräbt die katholische Kirche bei Teilen ihrer Mitarbeiter regelmäßig selbst, indem man sich per Zwangszölibat der Fortpflanzung verweigert. Oder sehe ich das falsch?
Apropos „Gewalt gegen die Kinder“: Da räume man bitte mal im eigenen Laden auf. Denn „Gewalt gegen die Kinder“ ist es nicht, wenn Homosexuelle Kinder adoptieren dürfen, sondern „Gewalt gegen die Kinder“ ging und geht da eher seit Bestehen der Kirche von einigen pädophilen Kirchenmitarbeitern aus. […] Das ist dann wirklich „Gewalt gegen die Kinder“, die von der Kirche aber gern unter dem Teppich gehalten wurde – moralische Ansprüche formuliert man in Rom immer nur an andere. Zumal Adoptiveltern in der Regel einer strengeren Kontrolle unterliegen dürften als jeder Kardinal oder Priester.
[…] Homosexuelle können heute selbstbewusst leben. Das ist kein Verdienst der katholischen Kirche, das haben sie sich trotz der Widerstände durch die Jahrhunderte, trotz des Dritten Reiches, zu dessen Opfern auch Homosexuelle zählten, und trotz auch heute noch vorhandener Vorurteile, die aber immer mehr im Abbau begriffen sind, hart erarbeitet – trotz der Existenz der katholischen Kirche. […] INGO KINDGEN, Bergheim
Aus wissenschaftlicher Perspektive ist zu sagen, dass Homosexualität und Bisexualität normale Verhaltensweisen sind wie Heterosexualität, dass es schlicht und einfach Blödsinn ist, dass die gesunde Entwicklung der Gesellschaft durch Lesben oder Schwule gefährdet werden könnte und dass neue wissenschaftliche Studien zeigen, dass sich Kinder von homosexuellen Eltern genauso gut entwickeln wie Kinder von heterosexuellen Eltern. Ratzinger suggeriert, dass die rechtliche Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften die Familie gefährde. Richtig ist jedoch, dass gerade die Länder (z. B. die Niederlande), in denen die Rechte von Schwulen und Lesben geachtet werden, sich ebenso durch eine hervorragende Familienpolitik auszeichnen.
Wenn die katholische Kirche durch die Verbreitung von Fehlinformationen Menschen verunsichert und zur Diskriminierung von Lesben und Schwulen beiträgt, dann behindert sie die „gesunde Entwicklung der menschliche Gesellschaft“.
CHRISTOF WAGNER, Neu-Anspach
Da können der Papst und seine Kardinäle das Neue Testament noch so schütteln, es wird keine Verurteilung der Homosexualität herausfallen, weil keine drinsteht. Genauso wenig werden sie eine Lobpreisung der Familie finden. Im Gegenteil, Jesus fährt einmal seiner Mutter übers Maul: „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?“, und erklärt, dass ihm seine Anhänger wichtiger sind als die Familie. Paulus sagt einmal, dass Heiraten, wenn man’s denn nicht lassen kann, noch das kleinere Übel wäre. Wer aber das Alte Testament als Beleg anführt, müsste alles, was drinsteht, einhalten und sich folglich zum jüdischen Glauben bekehren. Nur das herauszupicken, was einem gerade in den Kram passt, das geht nicht!
Was soll eigentlich ein „natürliches Sittengesetz“ sein? Es gab (oder gibt vielleicht noch) Völker, bei denen es zum als „natürlich“ empfundenen Sittengesetz gehörte, besiegte Feinde zu verspeisen. Noch heute gibt es in Europa da und dort die Blutrache, die von den Beteiligten durchaus als „natürliches Sittengesetz“ aufgefasst wird. Und wie steht es mit Hexenverbrennung und Inquisition? Auch die schienen mal ganz „natürlich“ und sittlich geboten.
CHRISTIANE RATTINGER, Offenburg
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