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: Später wird noch geBUMST, so wie damals im Wald, als die Hirsche romantisch KNÖRTEN

Scrabbeln mit dem Jäger aus Kurpfalz

Als meine pfiffige Scrabblefreundin mich gestern mit dem Wort „KNÖRTEN“ und damit eingesackten 90 Punkten auf den verdienten letzten Siegerplatz verwies, dachte ich über eine Änderung, oder sagen wir lieber Erweiterung der Spielregeln nach, in dem Sinne, dass minderbemittelte Menschen wie ich, die „knören“ nicht zu ihrem aktiven Wortschatz zählen, trotzdem noch eine Chance bekämen.

(Falls es tatsächlich noch jemand außer mir nicht kennen sollte: Wenn der Hirsch leise röhrt, dann knört er. Das wissen meine Freundin und ihr bester Scrabblekumpel, der Jäger aus Kurpfalz weiß es natürlich auch und die Klugscheißer vom Duden sowieso. Das Thesaurus übrigens nicht.)

Ich überlegte, ob sich als zusätzliche Aufgabe nicht eine Geschichte, eine romantische Liebesgeschichte vielleicht, aus den ausgelegten Wörtern ersinnen ließe, für deren Dramaturgie es dann wiederum Punkte geben könnte: „OH MY, sagte der Prinz, als er den NAPF des VOGTS AUSFEGTE, DA hilft kein BITTEN: Diese FUGE klingt so ÖD, dass sich mein EI LOCKERT. Schnell die Segel geHISST, den BUSEN geschnürt und ab nach NY. Das ist erstens gut für meine VITA, und zweitens wird später vielleicht noch geBUMST, so wie damals im Wald, als die Hirsche romantisch KNÖRTEN.“ Das mag nicht wirklich die beste Liebesgeschichte aller Zeiten sein, aber zenbuddhistisch betrachtet hat sie durchaus die gleiche Berechtigung wie andere, unter semantisch und stilistisch engeren Kriterien formulierte Storys.

Meine pfiffige Scrabblefreundin wollte aber von der Idee nichts wissen, pfui, sagte sie und rührte ungerührt den Buchstabenbeutel für die nächste Runde. In der ich es diesmal mit Qualität statt Quantität versuchte, nur wirklich schöne Worte wollte ich legen, damit dieses eine Spiel meinen Freunden als das poetischste, lyrischste Scrabblespiel aller Zeiten im Gedächtnis blieb.

Außerdem habe ich einen schlechten Ruf als Aushilfsjournalistin zu verlieren, und wenn mir schon bei einem doofen Brettspiel keine Worte einfallen, wann denn dann? Erst wenn ich die Dankesrede für den Pulitzer halten soll? Also suchte ich nach besonders schönen Worten. „LATIN“, von Latin Lover ließ meine Freundin nicht gelten, denn es ginge schließlich nicht, ein Wort aus dem Zusammenhang zu reißen. „ELYSIUM“ scheiterte an einem einzigen dämlichen fehlenden U. Bei „Apnoe“ stellte sich meine Freundin schon wieder quer und behauptete kleinlich, man schriebe dieses Wort auf jeden Fall mit „oe“ und nicht mit „ö“, und auch mein Pochen auf die wirren Regeln nach der Rechtschreibreform überzeugte sie nicht.

Schließlich gab ich auf und wurde mit LEGAL, RUM und RINNT schon wieder dritte Siegerin. Besser als vierte, sagte ich mir aufmunternd, das ist schließlich, glaubt man den Sportreportern, immer noch der undankbarste Platz von allen. Wäre aber auch schwer geworden, wir spielten nur zu dritt.

Außerdem kann ich mir immer noch überlegen, in eine Skatrunde in der Nachbarschaft einzutreten. Zwar kenne ich Skat nur aus dem alten Loriot-Sketch, in dem Loriot immer fragt „Was war noch mal Trumpf?“, aber auf dem Flohmarkt gab es neulich für kleines Geld das Buch „Skat Taktik“ vom ehemaligen Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Ost-CDU-Mitbegründer und Journalisten für das Reichspropagandaministerium Ernst Lemmer. Von diesem vielseitigen Mann lernen heißt sozusagen siegen lernen: Nicht nur, dass allein die Bezeichnung für Skatspieler, die Lemmer in seinem bekloppten Buch anwendet, „Skater“ nämlich, irritierend aussieht – noch viel mehr irritieren seine leut- und bierseligen Skatvokabeln.

„Pikus der Waldspecht – mal sehen, ob er läuft“, soll man demzufolge in bestimmten Situationen brüllen, „Gespaltener Kälberzahn – Bockrunde!“ oder irgendwas mit einem geschmierten, christlichen Leichenwagen.

Darüber amüsieren sich wahrscheinlich nur Nachkriegszeit-Männer mit fragwürdigen Biografien. Mir bleibt die Schönheit verborgen, nehme mir lieber doch noch mal den Duden zur Brust. Also zum BUSEN.

JENNI ZYLKA