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Archiv-Artikel

„Das kann sehr lukrativ sein“

Passend zu seinen energiepolitischen Zielen fällt dem rotgrünen Senat die Chance in den Schoß, Bremens Stadtwerke-Anteile zurück zu kaufen. Hintergrund ist das Kartellrecht

GRÜNE: LENKEN OHNE FINANZIELLES RISIKO

Für die Grünen kommt ein „zwischenzeitliches Engagement“ Bremens bei der SWB in Frage – wenn mit der Rolle als „lenkende Kraft“ kein finanzielles Risiko verbunden ist. Darauf hat sich die Fraktion gestern verständigt. Man könne das Vorkaufsrecht nutzen – „um zu verhindern, dass ein Investor die SWB ausblutet“. TAZ

INTERVIEW HENNING BLEYL

taz: Herr Mönnich, Bremen hat seine 51 Prozent am Energieversorger SWB seinerzeit für 1,1 Milliarden Mark an die niederländische Essent-Gruppe verkauft. Jetzt sind 650 bis 700 Millionen Euro als Rückkaufpreis im Gespräch – ist das eine normale Wertsteigerung?

Ernst Mönnich: Das muss man en detail prüfen. Unstrittig ist, dass die SWB in der Zwischenzeit Anteile von anderen Gesellschaften wie Hansewasser und dem Müllentsorger Ano hinzugekauft hat.

Wäre dieser Rückkauf, den Essent aus kartellrechtlichen Gründen anbieten muss, für Bremen lukrativ?

Das kann ein genauso gutes Geschäft werden, wie es die Übernahme der „Neuen Heimat“ war. Es geht jetzt, abseits aller ökologischen Fragen und sonstigen Einflussinteressen, um eine entsprechend nüchterne wirtschaftliche Prüfung. Insofern sollte man die Vorkaufs-Frist von 60 Tagen sehr ernsthaft nutzen.

Vermutlich ist für den Senat die Versuchung groß, sich einfach nur das Vorkaufsrecht vergolden zu lassen – anstatt die SWB-Anteile zu behalten.

Der Präzendenzfall „Gelsenwasser“ weist in eine andere Richtung. In den 90er Jahren haben die hoch verschuldeten Städte Bochum und Dortmund ihre Wasserversorgung zurückgekauft und das nicht bereut. Trotz einer Finanzierung auf Kredit mit vielleicht vier Prozent Zinslast kann so etwas sehr lukrativ sein. Essent erwartet in Bezug auf seine SWB-Anteile eine Eigenkapitalrendite von 15 Prozent.

Vor diesem Hintergrund hat angeblich auch die Energie Baden-Württemberg Interesse am SWB-Einstieg. Wenn sie jetzt schon unser Musical mitfinanzieren, könnten wir sie doch auf unseren Energiemarkt lassen …

Dass interessierte Firmen in die Umfeldpflege investieren, ist schön. Aber davon sollte man sich nicht irritieren lassen.

Es scheint sich ja geradezu eine „Marie Antoinette“-Koalition zu bilden: Der Musical-Mitsponsor EWE hatte schon früher Interesse an einer SWB-Mehrheitsbeteiligung, wurde aber wegen der befürchteten Konzentration von Firmen-Funktionen in Oldenburg ausgebremst. Dieses Argument ist mit Errichtung des EWE-Towers in der Überseestadt ausgehebelt.

Ein gesplitteter Verwaltungssitz ist natürlich gut für Bremen. Aber diesbezüglich muss man ohnehin in den Dimensionen einer Metropolregion Bremen-Oldenburg denken.

Im Gespräch ist die Variante, dass Bremen seine rückgekauften Anteile an EWE weiterveräußert und selbst nur zehn Prozent behält. Wäre das aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Wenn man einsteigt, sollte man das mindestens mit 25,1 Prozent tun, um über eine Sperrminorität zu verfügen. Alles darunter ist als reine Kapitalanlage zu betrachten.

Die Belegschafts-Vertreter der SWB haben sich bereits für eine Übernahme der Anteile durch die Stadt ausgesprochen. Sind auch direkte Mitarbeiterbeteiligungen denkbar?

In diesen finanziellen Dimensionen wohl nicht – zumal sich eine Belegschaft nicht zu den Konditionen verschulden kann, wie das der Stadt möglich ist.

Auch das „Bremer Bündnis für Klimaschutz“ fordert den Kauf der SWB-Aktien, damit der Senat „Einfluss auf die dringend erforderliche Neustrukturierung der SWB-Firmenpolitik“ nehmen könne.

Die etwaigen ökologischen Einflussmöglichkeiten muss man realistisch betrachten: Auch, als Bremen noch Miteigentümerin war, konnte sich die SWB der Beteiligung am Weserkraftwerk verweigern. Andererseits ist es prinzipiell immer sinnvoll, wenn es öffentliche Kontrolle im Bereich von Monopolmärkten gibt, die durch Elemente von Marktversagen gekennzeichnet sind.

2000 war der SWB-Verkauf für Bürgermeister Scherf „ein klassisches Stück Sanierungspolitik“. Und der Wille, alles in eigenen Händen halten, „ein Untergangskonzept“.

Vor dem Hintergrund der Stahlwerkmisere und der Vulkan-Pleite war das eine verständliche Einschätzung – zumal, wenn man öffentliche oder gemischt-wirtschaftliche Unternehmen als reine Beschäftigungsgesellschaften versteht. Damit ist allerdings nicht begründet, warum dann weitere Anteile verkauft wurden, um Haushaltslöcher zu stopfen.

Das Übernahme-Angebot ist zeitlich ungünstig, weil Bremen gerade tief in die finanzielle Föderalismus-Röhre guckt. Ist es andererseits die mutmaßlich einzige Chance, die Energieversorgung wieder in die eigenen Finger zu bekommen?

Ich denke, ja. Der kartellrechtliche Druck auf Essent, verbunden mit der mit der derzeitigen finananzpolitischen Situation, in der Private wenig Chancen auf Kredite haben, ergibt für Bremen eine historisch einmalige Chance.

Fotohinweis:ERNST MÖNNICH erforscht als Professor im Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Hochschule Bremen schwerpunktmäßig die Regionalökonomie.