: „Heißt das nicht Lebensversicherung?“
Fast 30 und ungeplant Vater: Zeit, ein Resümee zu ziehen. In dieser Situation nutzte Elmar Szücs sein Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg als lebenspraktische Hilfe. Mit Erfolg, wie sein Film „Wir sind schon mittendrin“ in der Perspektive Deutsches Kino zeigt. Ein Interview mit dem Regisseur
Geboren 1977 in Hamburg. Nach einem abgebrochenen Germanistikstudium macht er Regieassistenzen an Theatern und arbeitet als Filmvorführer, zum Theaterregiestudium lässt man ihn nicht zu („Die haben gesagt, ich soll noch ein bisschen Lebenserfahrung sammeln“). Danach probiert er sich als Kameraassistent bei Film- und TV-Produktionen aus. Seit 2003 studiert er an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg Dokumentarfilm-Regie. Seit kurzem lebt er in Berlin. „Wir sind schon mittendrin“ (Perspektive Deutsches Kino) ist sein Drittjahresfilm. Er zeichnet über Gespräche mit Schulfreunden ein durchaus konzises Bild einer sehr verlorenen, sehr verunsicherten Generation von Mittelstandskindern um die 30: „Wir sind Gar-nix-Menschen. Wir sind keine Generation X, wir sind keine Yuppies, wir sind nix, machen nix, wir sind leise, wir hinterlassen keine Spuren.“
„Wir sind schon mittendrin“. R: Elmar Szücs. Deutschland 2008, 61 Min.; 11. 2., 19.30 Uhr, Cinemaxx; 12. 2., 13 Uhr, Colosseum; 12. 2., 20.30 Uhr, Cinemaxx
INTERVIEW KIRSTEN RIESSELMANN
taz: Elmar, du sagst gleich zu Beginn deines Films, worum es dir geht: „Ich wollte herausfinden, ob es ein gemeinsames Lebensgefühl meiner Generation gibt.“ Warum wolltest du das?
Elmar Szücs: Ich war vor die Tatsache gestellt, dass ich ungeplant Vater wurde und kurz vor meinem 30. Geburtstag stand. Zeit also, ein Resümee zu ziehen, dachte ich mir: Was habe ich bisher geschafft, was hatte ich eigentlich vor? Da ist mir aufgefallen, dass es in meinem gesamten Freundeskreis ähnlich aussieht: Alle sind mit ziemlich großen Zielen gestartet, haben aber bislang wenig davon umgesetzt und stecken immer noch in einem Dazwischen, auf jeden Fall nicht in festen beruflichen Strukturen. Da dachte ich: Vielleicht ist das ja das Charakteristikum unserer Generation.
Dann hast du mit der Kamera bewaffnet deine drei besten Schulfreunde besucht, um mit ihnen über Wünsche, Hoffnungen, Zweifel und Ängste zu sprechen und nach Verallgemeinerbarem zu suchen. Warum fandest du euch vier dafür repräsentativ genug?
Ich hätte mir natürlich ganz klassisch auch sehr gegensätzliche Typen suchen können, die über den Kontrast ein objektiv stimmigeres Bild ergeben hätten. Dazu hätte ich mir aber Leute suchen müssen, die ich privat gar nicht kenne. Sehr erfolgreiche Menschen. Das fühlte sich nicht richtig an.
Bei deinen Freunden ist die Erfolglosigkeit einigermaßen augenfällig: abgebrochene Studien, immer noch Unterstützung durch die Eltern, verzweifelnd an der Aufgabe, das finden zu sollen, was Geld, Sinn und Spaß zugleich bringt. Du dagegen hast es doch immerhin an eine renommierte Filmhochschule geschafft!
Klar, von außen sieht es manchmal so aus, als hätte man es geschafft, wenn man auf der Filmhochschule genommen wird. Aber dann gibt es dort viele Durchstarter, die auf Festivals hoch und runter laufen. Wenn das bei einem selbst nicht so ist, dann ist man nicht so überzeugt davon, dass man schon etwas erreicht hat.
Es wurde über deinen Film gesagt, dass er junge Männer zeigt, die sich „altersunangemessen“ verhalten. Findest du das treffend?
Man kann es von außen durchaus so bewerten. Aber es gibt eben eine ziemlich große Gruppe, die sich so verhält, und wenn das so ist, kommt man mit diesem Begriff nicht weiter, sondern muss fragen, warum das so ist.
Ungefähr nach der Hälfte des Films fahrt ihr gemeinsam auf die Insel Amrum. Dort inszenierst du dann eine Beerdigung in den Dünen, bei der ihr eure Unentschiedenheit zu Grabe tragt. Das wirkt ziemlich pädagogisch. Wolltest du mit dem Film erreichen, dass die Jungs aus dem Quark kommen?
Ja klar! Es musste endlich was passieren! Meine Idee war eigentlich, auf Amrum unsere Jugend zu begraben. Dann kam aber raus, dass die drei darauf gar keine Lust hatten – sie fühlten sich noch nicht alt genug. Wir kamen dann drauf, dass es eher darum geht, mit der Entscheidungslosigkeit Schluss zu machen.
Ist es denn seitdem in euer aller Leben damit vorbei?
Vielleicht wäre das auch ohne den Film passiert, aber das Gefühl, dass wir mittlerweile alle in einem anderen Stadium sind, habe ich schon. Wir sind zumindest seitdem alle bei dem geblieben, was wir angefangen haben, und alle demnächst komischerweise sogar damit fertig.
Der jungen deutschen Literatur wurde in den letzten Jahren gern vorgeworfen, dass sie sich nur in Befindlichkeit suhlt. Das tust du mit diesem Film jetzt auch, sogar offensiv. Hattest du damit an der Akademie kein Problem?
Doch, auf einen Exotenbonus zu verzichten, im Sinne von Freaks und ferne Länder, und mich stattdessen nur mit meinem privaten Umfeld zu beschäftigen, war an der Schule nicht einfach zu vermitteln. Es kam tatsächlich die Diskussion auf, ob man Filme über eigene Freunde, an denen man als Filmemacher ja sehr nah dran ist, an der Akademie überhaupt noch zulassen oder verbieten soll. Da war ich schon etwas niedergeschlagen.
Und hast den Film dann aus Trotz zur Berlinale geschickt?
Nein, das hat dann doch die Schule entschieden – nachdem wir ihn komplett umgeschnitten hatten. Ich hätte ihn selber nicht eingereicht. Ich hätte das vermessen gefunden.
Ist man denn in Ludwigsburg stolz darauf, dass in diesem Jahr ein Drittel der Filme, die bei der Perspektive laufen, aus dem eigenen Stall kommt?
Nein, den Eindruck, dass da jetzt von jemandem gedacht wird, wir seien Crème de la Crème, habe ich überhaupt nicht.
Welche Hoffnungen hast du für deinen Film, jetzt, da er bei der Berlinale läuft?
Man ist erst mal froh, dass man mal irgendetwas geschafft hat, was eine Auswahlkommission als sehenswert eingestuft hat. Ich bin sehr stolz, dass viele Leute den Film sehen werden. Was außerdem schön wäre: wenn der Film die Möglichkeit fände, auch mal im Fernsehen zu laufen.
Die Perspektive will ja einem aktuellen Profil des jungen deutschen Kinos nachspüren, Ausblicke in die Zukunft des deutschen Filmschaffens geben. Könntest du formulieren, für welches Profil du stehen wollen würdest?
Ich glaube, das kann ich nicht. Ich habe einfach Lust, Geschichten darüber zu erzählen, wie unfassbar viele Möglichkeiten es gibt, ein Leben zu führen.
Zum Schluss darf ich dir sicher noch dieselbe Frage stellen, mit der du im Film auch deine Protagonisten nicht verschonst: Hast du dich schon um deine Altersvorsorge gekümmert?
Auch ich bin finanziell nicht in der Lage, etwas zur Seite zu legen. Aber ich habe tatsächlich von meinem Vater eine, äh, heißt das nicht Lebensversicherung? In die zahlt mein Vater jetzt 50 Euro pro Monat ein. Er meinte, ich könne das ja übernehmen, wenn ich so weit bin. Aber ich glaube, das dauert noch.