: Horáková holt Linksintellektuellen
Er lancierte Boykott-Aufrufe gegen die Regierung Haider, lehnt aber Vergleiche mit dem Hamburger Rechtspopulisten Ronald Schill ab: Der Wiener Robert Fleck wird Anfang kommenden Jahres Herr über die 6.000 Quadratmeter moderne Kunst in den Hamburger Deichtorhallen
In Frankreich ist alles noch schlimmer: „Da sitzen in etlichen Regionalparlamenten zu 50 Prozent die Vertreter von Le Pen, die eine so hassvolle Intoleranz praktizieren, dass sie den Kulturschaffenden das Arbeiten unmöglich machen.“ Der Österreicher Robert Fleck (45), neuer Direktor der Hamburger Deichtorhallen ab Januar 2004, ist durch Fragen nach dem Arbeitsklima unter dem rechtskonservativen Hamburger Senat nicht zu erschrecken.
„Ich habe gute Bedingungen zugesichert bekommen und freue mich, die Deichtorhallen weiter profilieren zu können“, sagt der frisch designierte Nachfolger von Zdenek Felix, der das 6.000 Quadratmeter große Areal seit zwölf Jahren bespielt und zu einem renommierten Haus moderner Kunst gemacht hat.
Im Sommer 2003 hatte sich Felix, dessen Etat seit zehn Jahren eingefroren ist, für ein Ende seiner Hamburger Ära im August 2003 entschieden; auf Dauer war die Akquirierung der zweiten Hälfte des Budgets – weiterer 1,3 Millionen Euro jährlich – zu mühsam geworden.
Ich hoffe, dass Herr Fleck die Arbeit mit genügend Geld fortführen kann“, hat Felix seinem Nachfolger deshalb mit auf den Weg gegeben. Den stört die Höhe des Etats nicht; zudem verhandelt er mit der Kulturbehörde über eine Marketing-Stelle – das Allheilmittel von Kultursenatorin Dana Horáková (parteilos) gegen Besucherschwund.
Einen Fünfjahresvertrag hat Fleck, derzeit Direktor der Kunsthochschule in Nantes, unterschrieben – Jahre, in denen der promovierte Historiker und Kurator eng mit F. C. Gundlach kooperieren wird, dessen Fotosammlung in die südlichen Deichtorhallen zieht.
Ein „Internationales Haus der Photographie“ soll dort entstehen, „in dem nichts ohne Zustimmung von Herrn Gundlach passieren wird“, betont Fleck. Er möchte Gundlachs Fotos an andere Häuser vermitteln und auch mit der Frankfurter Schirn und dem Münchner Haus der Kunst zusammenarbeiten.
Vier große sowie acht kleine Ausstellungen will er jährlich bieten; Felix gelangen sechs große Präsentationen im Jahr. Umbaupausen gedenkt Fleck abzuschaffen: „Hier soll immer etwas zu sehen sein.“
Da das allein den Besucherzahlen aber kaum aufhelfen wird, will Fleck auch den Platz zwischen den Hallen bespielen: „Ich möchte die Deichtorhallen stärker urban verflechten. Schon beim Vorbeifahren sollen die Leute sehen, dass da etwas Besonderes stattfindet.“ Ideen, die stark nach der von Horáková geschätzten „Glanz“- und Eventkultur klingen.
Welche Künstler dies vollbringen sollen? „Nur wenige können mit so großen Arealen umgehen, ohne populistisch zu sein“, orakelt Fleck. Trotzdem sollen die Massen strömen; Flecks Vorbild ist die jüngste documenta: „Diese Schau war technisch gut gemacht, besucherfreundlich organisiert und hat seriös mit den Künstlern kooperiert.“ Dies zeige, das Besucherzahlen durchaus steigerbar seien.
Thesen, die aus dem Munde des Intellektuellen, der bei Gilles Deleuze und Michel Foucault studierte, merkwürdig schlicht klingen. Denn eigentlich ist Fleck, das versichern Freunde, für scharfe Analyse und luzide Streitfreude bekannt.
Zudem hat sich Fleck, der seit 21 Jahren in Frankreich lebt, immer wieder als kritischer Linker profiliert: Nicht nur, dass seine jüngste Buchpublikation die in den Siebzigern berüchtigte Otto-Mühl-Kommune beleuchtet, die „Gemeinsame Sexualität“ mit Körperkunst und Wiener Aktionismus verband: Auch durch Internet-Aufrufe zum Boykott der Regierung Haider ist Fleck hevorgetreten. Und nach der Wahl Le Pens sorgte er sich öffentlich um das Schicksal der Freiheit.
Parallelen zum derzeit mitregierenden Hamburger Rechtspopulisten Ronald Schill mag er jedoch nicht ziehen: „Über die Hamburger Situation weiß ich zu wenig. Die Lage in Österreich dagegen kenne ich in- und auswendig. Ich habe das Phänomen Haider kommen sehen und wusste von vornherein, dass ich im Ernstfall als Intellektueller Klartext reden würde. In Hamburg spiele ich aber keine Rolle als Intellektueller.“
Er habe allerdings „in vielen Dingen eine klare Überzeugung, von der ich keine Abstriche mache. Und zum politischen Klima in Hamburg befragen Sie mich doch in ein paar Monaten noch mal.“
Petra Schellen