: Kontinuierlicher Kurswechsel
Abwasser-Einleitungen im Mühlenberger Loch: Umweltbehörde erstattet erst Anzeige und gibt dann Ausnahmegenehmigung. GAL-Umweltexperte Maaß interpretiert das als politische Wende unter dem Druck von Wirtschaftsinteressen
von GERNOT KNÖDLER
Die in der taz hamburg geäußerte Vermutung, dass die Umweltbehörde die Realisierungsgesellschaft für die Airbus-Werkserweiterung A380rea wegen Gewässerverunreinigung anzeigte, hat sich bestätigt. Wie Marion Zippel von der Generalstaatsanwaltschaft sagte, ist die entsprechende Anzeige im April 2002 eingegangen. Aus der Tatsache, dass die Umweltbehörde bei späteren Abwassereinleitungen auf eine Anzeige verzichtet hat und sogar eine Sondergenehmigung erteilte, schließt die GAL auf einen Kurswechsel der Behörde. Umweltsenator Peter Rehaag (Schill-Partei) sei „anscheinend vor den Vertretern der Wirtschaftsinteressen eingeknickt“, kommentierte der umweltpolitische Sprecher der GAL-Bürgerschaftsfraktion, Christian Maaß.
Die Strafanzeige bezieht sich auf den Winter 2001/2002, in dem die städtische Realisierungsgesellschaft 330.000 Kubikmeter ammoniumbelastetes Drainagewasser in einen Polder leitete und dort mit dem weniger belasteten Wasser aus dem Aufspülen der neuen Werkshalbinsel vermischte. Die Ammoniumbelastung der Brühe sank nach ausreichender Verdünnung unter den Grenzwert, den der Planfeststellungsbeschluss für die Werkserweiterung vorschreibt. De facto leitete A380rea auf diese Weise Drainagewasser mit 40 bis 70 Milligramm Ammonium in die Elbe, während allenfalls zehn Milligramm erlaubt waren.
Anders reagierte die Umweltbehörde ein halbes Jahr später: Vom 1. Juli bis zum 16. Oktober 2002 leitete A380rea 143.000 Tonnen belastetes Abwasser von der Pistenverlängerungsbaustelle am Rüschkanal in die Elbe. Die GAL-Bürgerschaftsfraktion und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) erstatteten Anzeige, weil das Baustellenwasser den Grenzwert für Ammonium-Stickstoff um das bis zu 14-fache überschritt. Die Umweltbehörde ließ Sauerstoff in den Strom leiten und ein Absetzbecken bauen.
Am 22. Januar 2003 ging die Umweltbehörde einen Schritt weiter. Sie erlaubte die Einleitung von Drainage- und Baustellenwasser in die Elbe ohne Klärung, solange die Wassertemperatur des Stromes unter zehn Grad Celsius liege. Damit genehmigte die Behörde eine Überschreitung des laut Planfeststellungsbeschluss zulässigen Grenzwerts um das Zwei- bis Vierfache, ohne zuständig zu sein. Den Planfeststellungsbeschluss habe die Wirtschaftsbehörde erlassen, argumentierte die GAL. Nur diese könne Ausnahmen genehmigen.
In den Augen von Maaß zeigt sich in dem Handeln der Umweltbehörde eine Wende. Nach dem Machtwechsel habe die Behörde zunächst weiter eine strenge Linie verfolgt und sei von dieser dann allmählich abgerückt – zulasten der Natur und zum Frommen der Realisierungsgesellschaft wie des Baufortschritts im Mühlenberger Loch. „Die Anzeige beweist, dass die Abwassereinleitung von den Fachleuten der Umweltbehörde tatsächlich als großes Problem angesehen wurde“, sagt Maaß.
Behördensprecher Volker Dumann weist den Vorwurf, seine Behörde habe eine politische Wende vollzogen, zurück: „Wir sehen das als kontinuierliche Politik.“ Druck aus der Wirtschaftsbehörde oder von der Realisierungsgesellschaft habe es seines Wissens nicht gegeben. Die Ausnahmegenehmigung gehe auf eine eigene Abwägung der Umweltbehörde zurück.