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Archiv-Artikel

Leonardo DiGorbatschow

Berlinale-Star-Album (6): Leonardo DiCaprio

Jetzt ist es raus: Nicht etwa Michail Gorbatschow, der sich dafür seit knapp 20 Jahren feiern lässt, hat die Berliner Mauer umgestoßen, sondern Leonardo DiCaprio. Bei der „Cinema for Peace“-Gala am Montagabend in Berlin präsentierte der Hyperehrengast höchstselbst das Beweismaterial. Auf einem von seiner deutschen Großmutter geknipsten Schnappschuss sahen die zahlenden Gäste im Konzerthaus am Gendarmenmarkt (Karten ab 1.000 Euro) Klein-Leo, wie er sich in bunt gemustertem 80er-Jahre-Outfit gegen das Graffiti-beschmierte Bollwerk stemmt. Gorbatschow stand daneben und trug die Schmach mit Fassung, verließ die Veranstaltung allerdings unmittelbar nach der Preisverleihung.

Als kleine Rache ließ er DiCaprio allerdings vorher noch auf das gemeinsame Erinnerungsfoto warten – eine für einen Hollywoodstar wohl auch nicht gerade alltägliche Erfahrung. Doch der zeigte sich von Gorbatschows Retourkutsche ungerührt, lehnte lässig im Türrahmen zur Lounge des Sponsors, in der die Fotowand aufgebaut war, und schaltete in den Stand-by-Modus.

Um wütenden Leserbriefen vorzubeugen: Natürlich war das ein Scherz. Natürlich ist Gorbatschow der Held und DiCaprio nur ein Heldendarsteller. Dass am Gendarmenmarkt neureiche Russen zusammen mit Weltstars wie Catherine Deneuve und Ben Kingsley sowie deutscher B-Prominenz (Sandy Meyer-Wölden, Peter Lohmeyer) Geld für die Rettung der Welt sammeln können, ist vor allem mal Gorbatschows Verdienst.

Dessen Sicherheitsleute gucken übrigens immer noch so grimmig wie zu Zeiten des Kalten Kriegs – aber wahrscheinlich mittlerweile wegen schmelzender Polkappen und Artensterben. „Die Umweltkrise zu lösen, das ist ein entscheidender Punkt“, sagte Leonardo DiCaprio in seiner Rede. „Es ist unsere nächste Berliner Mauer.“ Die Mienen von Gorbatschows stiernackigen Schatten gaben ihm recht.

Für diesen Job ist Gorbatschow allerdings mittlerweile zu alt – gut also, dass DiCaprio die Zeichen der Zeit erkannt und den Umweltschutzdokfilm „The 11th Hour“ produziert hat. Für sein Engagement wurde er bei „Cinema for Peace“ mit dem International Green Film Award ausgezeichnet. Gorbatschow hielt die Laudatio auf DiCaprio, dessen Rede wiederum streckenweise so klang wie eine Laudatio auf Gorbatschow.

Eine der acht Trophäen erhielt zum Wendejubiläum auch Roger Waters für das Pink-Floyd-Album „The Wall“ und das legendäre Berliner Konzert dazu. Eigentlich sollte Waters auch singen, verstärkt von den „Söhnen Mannheims“ und Schülern der Bertha-von-Suttner-Oberschule in Berlin-Reinickendorf, doch die technischen Voraussetzungen im Konzerthaus entsprachen nicht den hohen Standards von Pink Floyd. Aber sehen wir es doch trotz der Erderwärmung mal positiv: So blieb wenigstens mehr Geld für die Weltrettung übrig, DiCaprios Auftritt war sicherlich schon teuer genug.

Der filmreife Satz: „Haltet die Klappe!“ (Politaktivist Bob Geldof war es zu Beginn der Veranstaltung viel zu laut.) DAVID DENK