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Archiv-Artikel

Deutschland ist Qualmnation Nummer fünf

WHO-Tabakkonferenz beendet: Kritik an deutscher Regierung wegen Ablehnung des Tabak-Werbeverbots in der EU

STOCKHOLM taz ■ Weltweit gibt es 1,3 Milliarden Raucher. Etwa fünf Millionen Menschen sterben an der Sucht in jedem Jahr, 100 Millionen Tote forderte der Tabakkonsum in den vergangenen hundert Jahren. „Aids und Rauchen sind die am schnellsten wachsenden Todesursachen“, sagt Richard Peto von der Oxford University. Es waren beeindruckende Statistiken, die auf der 12. Welttabakkonferenz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Helsinki in dieser Woche vorgerechnet wurden.

Der neue WHO-Direktor Lee Jong-Wook will vor allem die mächtige Tabakindustrie an die Leine nehmen. Der WHO-Chef fordert eine kräftige Erhöhung der Tabaksteuer, staatliche Antirauchkampagnen, ein Verbot von Tabakreklame und einen strengeren Schutz von Jugendlichen. Ein Schwerpunkt imKampf gegen das Rauchen müsste in den Entwicklungsländern liegen, sagt Jukka Sailas, internationaler Antitabakkoordinator der WHO. Dort gebe es meist nicht mal eine Debatte über die schädliche Wirkung von Nikotin. Gerade deshalb konzentrieren die Tabakkonzerne nun ihre Verkaufsanstrengungen dort.

Ein Nord-Süd-Gefälle im Bewusstsein über die Gefahren des Rauchens scheint es auch in Europa zu geben. Musterhaft sind die skandinavischen Länder. Sie geben gute Beispiele dafür ab, dass ausdauernde staatliche Antitabakpolitik – wie Tabakwerbeverbote, Rauchverbote in Restaurants, in öffentlichen Gebäuden und an den meisten Arbeitsplätzen – durchaus Sinn hat. So unterschreitet Schweden als einziges Land in Europa die WHO-Zielmarke von einer Raucherquote unter zwanzig Prozent. Als fünftgrößte Qualmnation der Welt gilt Deutschland. Hier werden 140 Milliarden Zigaretten im Jahr verkauft, etwa 800.000 Zigarettenautomaten sind aufgestellt – etwas mehr als in der übrigen EU. Nicht nur deshalb gab es auf der Tabakkonferenz Kritik, sondern auch wegen der Weigerung der deutschen Regierung, das im Mai EU-weit beschlossene Tabakwerbeverbot mitzutragen. Missfallen rief außerdem eine von der Tabakindustrie finanzierte Anzeigenserie der Bundesanstalt für gesundheitliche Aufklärung in Bravo und Popcorn hervor. Die großformatig beim Rauchen abgebildeten Jugendlichen mit kleinen Warntexten darunter bewirkten eher das Gegenteil, meinten Experten.REINHARD WOLFF

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