Afghanistan: Struck stürmt voran

Verteidigungsminister will Bundeswehr in die Provinz schicken. Fischer hält sich zurück

BERLIN taz ■ Die Entscheidung über eine Ausweitung des Bundeswehr-Engagements in Afghanistan rückt näher. Die Bundesregierung wird voraussichtlich in der kommenden Woche darüber befinden, ob Soldaten außerhalb von Kabul eingesetzt werden. Dem Vernehmen nach soll das Thema am Donnerstag am Rande der Kabinettssitzung behandelt werden, wenn Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) von seinem Afghanistan-Besuch zurückgekehrt ist und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) seinen Urlaub beendet hat.

Dass der Afghanistan-Einsatz ausgeweitet werden soll, scheint beschlossene Sache. Bis zur Kabinettssitzung bleibt aber offen: Wie viele Soldaten sollen in der Provinz für Ordnung sorgen? Wo? Unter welchem Kommando? Von den Antworten auf diese Fragen hängt auch ab, ob es eines neuen Bundestagsbeschlusses bedarf. Das bisherige Mandat ist auf die Hauptstadt Kabul und ihre Umgebung begrenzt.

Struck nannte gestern erstmals einen möglichen Einsatzort 50 Kilometer nördlich von Kabul. Ein gemischtes Wiederaufbauteam aus Soldaten und zivilen Helfern könne in der Stadt Charikar aufgestellt werden, sagte Struck den Nürnberger Nachrichten. Charikar gilt als relativ sicher. Die gefährlichere Region um Herat im Westen des Landes komme dagegen nicht als Einsatzort in Frage, betonte Struck vor seiner Abreise nach Asien.

Struck ist dabei, wenn Deutschland und die Niederlande am Montag das Kommando über die Internationale Afghanistan-Schutztruppe (Isaf) an die Nato übergeben. Im Zuge dieses Wechsels wird Deutschland die Zahl seiner Soldaten zunächst um rund 700 auf unter 1.600 verringern. Ob neue Bundeswehrsoldaten dazukommen – darüber will Struck auch mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai sprechen.

Außenminister Fischer hält sich in der Debatte bisher auffallend zurück. Auch die Vorfestlegungen des Kollegen Struck wollte sein Ministerium nicht kommentieren. „Der Abstimmungs- und Beratungsprozess ist noch nicht abgeschlossen“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts der taz. Zunächst müsse der Bericht eines deutschen Erkundungsteams geprüft werden, das im Juni in Afghanistan war. Die Auswertung dieser fact finding mission habe „noch nicht das Stadium erreicht“, in dem sie „auf der politischen Ebene“ seriös behandelt werden könne.

Einige Grünenpolitiker mischten sich trotzdem in die Debatte ein. Der außenpolitische Sprecher der grünen Fraktion, Ludger Volmer, beurteilte einen Einsatz in der Provinz skeptisch. Nach dem Konzept der Petersberger Friedenskonferenz wäre es Aufgabe der afghanischen Übergangsregierung, eigene Sicherheitskräfte aufzubauen, sagte Volmer. Bevor man über eine Ausweitung des Isaf-Mandates nachdenke, „sollte man zumindest die Konzeption dazu weiterentwickeln, wie denn die Afghanen ihre Sicherheitsapparate ausbauen können“. Die grüne Menschenrechtspolitikerin Christa Nickels begrüßte dagegen das Vorhaben, die Präsenz auf die Provinzen auszudehnen und forderte eine Aufstockung der Isaf-Schutztruppe auf mindestens 10.000 Soldaten.

Der Verteidigungsexperte der Union, Christian Schmidt (CSU), nannte die Position der Regierung „zu ungenau“. Schmidt sagte, seine Fraktion werde einem neuen Mandat nur dann zustimmen, „wenn vorher ein zielweisendes politisches Konzept für die Zukunft Afghanistans vorgelegt wird“. LUKAS WALLRAFF