: Weltweiter Sekretmangel
„Spendertouristen“ pendeln zwischen Blut- und Samenbank, um ihre Körpersäfte feilzubieten
Die polnischen Krankenhäuser und Blutspendezentren haben Alarm geschlagen, weil die Blutkonserven knapp werden. Einer der Gründe: Immer häufiger verkaufen polnische Spender ihren Lebenssaft an Blutbanken in Deutschland. Ein Spender berichtete dem privaten Radiosender RMF gestern, dass es sogar extra Fahrgemeinschaften gebe, um die Kosten für den Aderlass-Trip ins Nachbarland gering zu halten. Allzu hoch sind die Aufwandsentschädigungen für eine Blutspende in Deutschland schließlich nicht, so um die 30 Euro und eine Bockwurst sind drin.
Zu fünft im Polski-Fiat nach Berlin zur Blutbank, mit Stullenpaketen und hart gekochten Eiern: kein „Spendertourismus“, auf den man neidisch werden könnte. Zudem bleibt ein Beigeschmack von transnationalem Vampirismus. Mehr Fun verspricht da ein zweiwöchiger, kostenloser Urlaub in Australien. Blut hat man dort genug, allein es fehlt an Sperma.
Die australische Samenbank Reproductive Medicine im Südosten Australiens wirbt deshalb mit Gratisurlauben, um ausländische Spender anzulocken: Gesunde Männer zwischen 15 und 40 Jahren bekommen zwei Wochen Sonnenschein, alles inklusive, und liefern im Gegenzug jeden zweiten Tag eine kleine Spende. Da es verboten ist, gefrorenes Sperma nach Australien einzuführen, müssen eben die Spender importiert werden.
Der eklatante Sekretmangel hat nichts mit der Potenz der australischen Männer oder gar dem Ozonloch zu tun; schuld ist eine Gesetzesänderung: Australische Samenspender müssen sich nun offiziell registrieren lassen, ab dem 16. Lebensjahr haben die künstlich gezeugten Kinder Anspruch, Namen und Adresse des Vaters zu erfahren. Die früher so bequeme weil anonyme Methode, das persönliche Evolutionsziel zu erreichen, erscheint den australischen Männern nun zunehmend unattraktiv. Österreich, Schweden und die Niederlande haben dank vergleichbarer Regelungen ebenfalls Spermanachschubprobleme. Immer mehr Niederländerinnen fahren deshalb bereits nach Belgien, um sich inseminieren zu lassen. Zu Hause sind die Wartelisten einfach viel zu lang.
Der Wettkampf um die Verteilung der weltweiten Sekret-Ressourcen hat offenkundig begonnen. MARTIN REICHERT