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Archiv-Artikel

Auch im Juni Wasser unterm Kiel

Befürworter halten den Sommerstau der Ems für alternativlos, Umweltschützer fürchten Kungelei zwischen der Meyer Werft und Behörden. Pikant sind die Belastungen durch Dioxine und PCB beim Probestau

Am übernächsten Wochenende ist es wieder soweit: Damit die Aidaluna aus dem Baudock I der Meyer Werft in Papenburg Richtung Dollart schippern kann, schließen sich die Schoten des Emssperrwerks. Nur dann hat das 252 Meter lange Kreuzfahrtschiff Wasser unterm Kiel. Der Werft reicht das nicht. Künftig soll auch im Sommer gestaut werden.

Weil Meyer tausende Arbeitsplätze in der Region sichert, hat der Landkreis Emsland beantragt, für die Überführung von zwei Kreuzfahrern auch in diesem Juni und im Juli 2011 den Fluss stauen zu dürfen: Mitten im Sommer, wenn der Sauerstoffgehalt der Ems ohnehin gering ist, soll die Ems für jeweils 25 Stunden auf bis zu 2,20 Metern über Normal Null aufgestaut werden.

„Die Reedereien bestimmen die Ablieferungstermine“, sagte Landrat Hermann Bröring (CDU) am Mittwoch bei der Erörterung für die Stau-Ausnahmen in Leer. Bröring hält den Sommerstau für alternativlos, Umweltschützer halten die Ems jetzt schon für einen streckenweise toten Fluss.

Jobs oder Umwelt? Für Jochen Zerrahn ist die Sache klar: Die Werft sei aus Wettbewerbsgründen gezwungen gewesen, die Aufträge anzunehmen, sagte der Geschäftsführer der Meyer Werft. Bei verspäteter Auslieferung kämen auf die Werft Kosten von rund neun Millionen Euro zu. Zerrahn: „Das würde in diesem Jahr für Verluste sorgen.“

Dagegen steht der geltende Planfeststellungsbeschluss, der eine Überführung von Riesen-Schiffen im Sommer ausschließt. Es geht um Pötte mit einem Tiefgang von acht Metern, Schiffe der so genannten Postpanmax-Klasse. Eine Überführung von Mitte September bis Mitte März wäre kein Problem.

Naturschützer wittern Kungelei zwischen Werft und Behörden. Wie es sein könne, dass die Werft einen Auftrag annehme, obwohl sie wisse, dass sie dafür überhaupt keine rechtliche Grundlage habe, wollte WWF-Vertreterin Beatrice Claus wissen. Auch dass Werft-Chef Bernard Meyer unlängst erklärt hatte, Bund und Land hätten versprochen, eine ganzjährige Überführung der Schiffe zu ermöglichen, sorgte für Unmut. So drohe das Verfahren zur Farce zu werden. Über einen „Tiefpunkt der demokratischen Kultur in Niedersachsen“ wetterte Stefan Wenzel, Grünen-Fraktionschef im Landtag.

Vor allem auf gefährdete Brutvögel dürfte die Ausweitung des Sommerstaus Auswirkungen haben, sagte der Gutachter des Kreises Emsland, Wolfgang Herr. Zum Ausgleich sollten alternative Brutflächen geschaffen werden. Pikant sind Ergebnisse zur Belastung des Flusses, die am Dienstag bekannt geworden waren. Nach Messungen an Futterpflanzen vom Emsufer sind laut den Grünen nach dem Probe-Stau im vergangenen Sommer die Grenzwerte für Dioxin und Polychlorierte Biphenyle (PCB) überschritten worden. In den Überschwemmungsgebieten sind sie bei drei Tage nach dem Stau genommenen Proben im Schnitt um das Fünffache höher als außerhalb. Im August hatten die Behörden den Sommerstau für unbedenklich erklärt.KAI SCHÖNEBERG