Regierung streitet über Krippenplätze

Viermal so viele Ganztagsplätze für unter Dreijährige wie bisher soll ein neues Gesetz bis 2010 schaffen. Eltern haben keinen Rechtsanspruch auf einen Platz. Deshalb kritisieren die Grünen ihren Koalitionspartner SPD: Das Gesetz sei nicht mutig genug

VON HEIDE OESTREICH

In zwei Jahren wird gezählt: Bis 2006 sollen die westdeutschen Kommunen ihr Angebot an Betreuungsplätzen für Kleinkinder verdoppelt haben. So wünscht es das „Tagesbetreuungsausbaugesetz“, das gestern im Kabinett verabschiedet wurde.

Bis 2010 soll dann das Niveau von heute 60.000 Plätzen auf 230.000 gestiegen sein, insgesamt eine knappe Vervierfachung. Zu diesem Zweck sollen die Kommunen jährlich bis zu 1,5 Milliarden Euro ausgeben; einen Teil der erhofften 2,5 Milliarden Euro Entlastung aus der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Ob sich der ehrgeizige Plan mit diesem Gesetz erfüllen lässt, wird allerdings vielfach bezweifelt. Im Koalitionsvertrag war ursprünglich ein Rechtsanspruch auf den Betreuungsplatz für Kleinkinder vorgesehen. Die Grünen klagten diesen auch gestern noch einmal ein: Die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Ekin Deligöz, sagte, der Gesetzentwurf sei „nicht mutig genug“, weil er den Eltern kein Instrument an die Hand gebe, um ihre Interessen durchzusetzen.

Familienministerin Renate Schmidt (SPD) sagte dagegen, die Frage des Rechtsanspruches sei ein „Nebenkriegsschauplatz“. Der Anspruch hätte im Moment keinerlei Sinn, weil er derzeit nicht erfüllt werden könnte, erklärte Schmidt. Sie setze darauf, dass das Ziel durch Überzeugung besser erreicht werden könne als auf juristischem Wege. Die Kommunen hätten schon heute die Pflicht, eine bedarfsgerechte Menge an Betreuungsplätzen für unter Dreijährige vorzuhalten. Dieser Pflicht seien sie nicht nachgekommen. Deshalb werde im neuen Gesetz konkreter formuliert, dass vorrangig berufstätige Eltern oder solche, die sich in einer Ausbildung befinden, einen Platz für ihr Kleinkind beanspruchen dürften.