gerecht verteilen : Grundrente statt Generationenkrieg
Wem seine Titan-Hüfte lieb ist, der schweigt dieser Tage in der Öffentlichkeit wohlweislich über das Rentner-Lieblingsthema Hüft-OP. Er könnte Ziel Amok laufender Jung-Unionler werden. Schwacher Trost für die aktuellen Sündenböcke: Es kann jeden treffen. Mal sind es AusländerInnen, die „in die Sozialsysteme“ einwandern, mal AkademikerInnen, die das Sozialsystem durch Kinderlosigkeit ruinieren, mal Frauen, die unvernünftigerweise auf dem Arbeitsmarkt rumstehen, statt Kinder zu kriegen und sich vom Gatten versorgen zu lassen. Demnächst sind vielleicht die Ossis dran, die so blöd waren, im falschen Staat zu leben, und jetzt das Rentensystem belasten.
Kommentarvon HEIDE OESTREICH
Es wird knapp, und da wird der Verteilungskampf schon mal mit härteren Bandagen geführt. Die Jungen greifen die Alten an, und auch die blasen nun zum Kampf: Trude Unruhs Rentnerpartei Graue Panther startete jetzt eine Mitgliederoffensive.
Das Komische ist, dass jeder weiß: Es gibt reiche Alte und arme Alte, es gibt privilegierte Junge, die eventuell sogar viel erben, und es gibt chancenlose. Jede vernünftige Verteilungsdebatte sollte entlang dieser Fronten verlaufen. Tut sie aber nicht. Stattdessen wird ein Stellvertreterkrieg geführt.
Doch: Die Jungen sind nicht so arm dran, weil sie nun auch privat vorsorgen müssen. Wer das demografische Loch reißt, muss eben privat vorsorgen: Statt in drei Kinder heißt es in die Versicherung investieren. Problematisch wird das erst, wenn man den Job, der die Vorsorge finanzieren soll, nicht hat. Oder Kinder erzieht und deshalb nicht einzahlen kann. Rentenrisiken wie Arbeitslosigkeit und Kinderkriegen müssen also neu abgesichert werden. Die Lösung, das ist ebenfalls bekannt, heißt Mischkalkulation: eine vernünftige Sockelrente für alle. Und eine Privatrente obendrauf.
Um sich das Vergnügen der Sockelrente leisten zu können, müssten allerdings alle einzahlen: Reiche, Arme, sogar Beamte – wie in der Schweiz. Das wäre Verteilungsgerechtigkeit. Aber alles, was mit Verteilungsgerechtigkeit zu tun hat, hat diese Bundesregierung unter Sozialismusverdacht gestellt. Deshalb müssen wir jetzt mit Nobodys aus der Union über Hüften diskutieren oder über Ausländer, Ossis, faule Kinder- und Arbeitslose … Hoffentlich kommt bald ein größerer Geist aus der Union mal wieder darauf, Kurt Biedenkopfs Grundrenten-Idee zu recyceln. Von der SPD ist das nicht zu erwarten.
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