: Vor Hüftgelenken in die Knie gehen
betr.: „Seniorennot spaltet Junge Union“ u. a., taz vom 8. 8. 03
Nicht die Hitze ist es, die einem zu schaffen macht. Nein, es ist die Unverfrorenheit eines 23-Jährigen und auch noch eines angeblich werdenden „Historikers“. Was weiß Mißfelder denn über die Geschichte des letzten Jahrhunderts. Es gab zwei Kriege – und von den alten Herrschaften in unserem Lande, die beide Kriege miterlebt haben, leben nur noch wenige. Aber an unseren heutigen Rentnerinnen und Rentnern und insbesondere den älteren unter ihnen ist der Zweite Weltkrieg nicht spurlos vorübergegangen. Ihnen haben wir den Aufbau Deutschlands trotz all ihrer Gebrechen zu verdanken. Mißfelder sind sie ein Dorn im Auge. Ihm, der kaum die Windeln abgelegt hat. Auch die „christliche“ Parteigenossin Katherina Reiche sollte sich über ihre Einstellung Gedanken machen. Hier zeigen sich die tatsächlichen Ergebnisse unseres Erziehungs- und Bildungssystems, die durch die Pisa-Studie bereits belegt wurden. MARIANNE KIRST, Kriftel
Wer hier laut nach inhumanen und menschenverachtenden Kürzungen schreit, gehört zu einer Generation, die ebenfalls schon seit ihrer Geburt, die meist schon um vieles teurer in einem gut ausgestatteten Kreißsaal stattfand, Leistungen aus der einen oder beiden Kassen erhalten.
In der Regel beginnen die jungen Leute heute mindestens vier Jahre später als ihre Eltern mit ihrer Lebensarbeit. Sie bekommen vom Staat Bafög, damit sie studieren können, sie bekommen Sozialhilfe, damit sie sich eine eigene Wohnung ohne eigene Mittel leisten können, den Kühlschrank und das Fernsehgerät samt Waschmaschine bekommen sie auch gleich gestellt. Und wenn sie krank werden durch Sport- und Risikosportunfälle oder durch trendy Absaufen bis der Arzt kommt und Drogenkonsum, plündern sie mit ihrem selbstverständlichen Anspruch auf Leistungen die Kassen, ohne sie noch je gefüllt zu haben.
Die junge Generation lebt ihre Ansprüche, fährt ein paarmal im Jahr in den Urlaub, hat selbstverständlich mit 18 ein gutes Auto und das unvermeidliche Handy, abendliches Ausgehen ist die Regel und keine Seltenheit, alles Dinge, wovon ihre Väter und Mütter nur träumten. Die haben sich als Kinder höchstens mal ein paar Bonbons aus dem Glas des Krämers vom Taschengeld leisten können und als Lehrlinge möbliert im Wohnheim gelebt, das Lehrlingsgehalt fest zusammengehalten, damit einmal im Monat Tanzen oder Kino drin war. Dahin gings dann zu Fuß, weil das Busgeld für die Brause eingespart wurde.
Dass die Jungen sich oft schon als Teenies verschulden, um ihre Ansprüche leben zu können, ist bekannt. Dass ebenso viele sich ihre Ansprüche durch geduldige Eltern, den Staat oder das zu erwartende Erbe finanzieren ist auch bekannt. Aber verantwortlich dafür ist die Generation der Alten trotzdem nicht. […]
Heute fehlt es in erster Linie an offizieller Arbeit. Wer die erbringt, kann Kassen füllen und kann auch mit dem Recht des Einzahlers Leistungen erwarten. Die Generation der Alten hat Deutschland und sein Sozialsystem aufgebaut. Das war Schwerstarbeit, jahrzehntelang! Aus Trümmern wurden Milliarden an Erbmasse, die derzeit in Bewegung ist. Es blieb der Generation nichts anderes übrig. Sie hat es einfach angepackt. Da wird wohl die jetzige Spaßgeneration nicht vor dem Problem der zu bezahlenden Hüftgelenke in die Knie gehen! […] PETRA STICH, Göppingen
betr.: „Keine Hüfte für Asylbewerber“, taz vom 9.8.03
Wir findes es gruselig, dass neoliberalisierte Verwaltungströpfe eine derartig unmenschliche Entscheidung getroffen haben. Schließlich würde die Genehmigung in einem Einzelfall wohl kaum Wellen von Hüftoperationen bei AsylbewerberInnen auslösen. HERMANN CÖLFEN, SABINE WALTHER, Duisburg
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die erscheinenden Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.