: Wenn keine Zeit zum Warnen bleibt
Erst schießen, dann fragen. Die deutsche Polizei könnte mit Selbstmordattentätern ähnlich umgehen wie die britische
FREIBURG taz ■ Auch in Deutschland ist es möglich, Selbstmordattentäter kurz vor einem Attentat zu erschießen. Dies sehen die Regelungen der meisten Polizeigesetze vor. Nur: Woher weiß man, wer ein Selbstmordattentäter ist?
Wie der Sunday Telegraph am Wochenende meldete, gab der Chef der Londoner Polizei, John Stevens, eine Richtlinie heraus, wonach Polizisten ohne Vorwarnung feuern dürfen, wenn sie glauben, jemand wolle sich als lebende Bombe in die Luft sprengen. In der Zeitung wird ein Polizist mit den Worten zitiert, der Polizeichef habe „klar gemacht, dass wir erst schießen und später Fragen stellen sollen, wenn wir glauben, einen Selbstmordattentäter vor uns zu haben“.
Anders als in Großbritannien gibt es in Deutschland derzeit keine besonderen Hinweise auf Selbstmordattentate. Aber: Was wäre, wenn? „Für den Fall einer solchen Bedrohungslage gibt es besondere Dienstvorschriften“, sagt ein Sprecher des Stuttgarter Innenministers Thomas Schäuble (CDU). Wie diese konkret aussehen, will er aber nicht verraten. „Sonst würde das nicht mehr funktionieren.“ Nur so viel: Die Polizei trainiere natürlich auch den Umgang mit Selbstmordattentätern.
Im baden-württembergischen Polizeigesetz heißt es: Ein Todesschuss ist nur zulässig, wenn er das „einzige Mittel“ zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben ist. Auch alle anderen Bundesländer haben ähnliche Befugnisse im Polizeigesetz oder zumindest in Verwaltungsvorschriften. Bisher wird davon nur sehr selten Gebrauch gemacht. In manchen Jahren gibt es in Deutschland nicht einen einzigen gezielten Todesschuss der Polizei.
Dies könnte anders aussehen, sollte es in Deutschland tatsächlich zu Selbstmordanschlägen kommen. Völlig abwegig ist das nicht. Der aktuell in Düsseldorf vor Gericht stehende Shadi Abdalla berichtete, seine Al-Tawhid-Zelle habe Anschläge auf das Jüdische Museum in Berlin und eine Disco sowie ein Restaurant in Düsseldorf geplant.
Eigentlich soll die Polizei, bevor sie schießt, den vermeintlichen Täter per Ruf oder mit einem Schuss in die Luft warnen. Doch wer einen Sprengstoffgürtel am Leib trägt, kann diesen dann möglicherweise noch zünden. Ein tödliches Dilemma.
Die Logik des Sofort-Schießens und ihre Folgen sind derzeit jeden Tag im Irak zu besichtigen. Erst gestern töteten US-Soldaten zwei irakische Polizisten, die sie für Attentäter hielten.
CHRISTIAN RATH