piwik no script img

Archiv-Artikel

Analyse: West-CDU muckt auf Rüttgers setzt auf Egoismus

Der Vorsitzende der CDU-NRW wird richtig mutig. Unerhört: Jürgen Rüttgers entdeckt den politischen Egoismus und riskiert sogar einen Konflikt mit CDU-Chefin Angela Merkel. Alles ordnet der Rheinländer dem großen Ziel unter: die Macht in Düsseldorf zu übernehmen. Rüttgers hat sich auf einen Tag in zehn Monaten fixiert. Am 22. Mai 2005 will er die NRW-Landtagswahl gewinnen – komme, was wolle. Galt der Ex-Zukunftsminister lange als Zauderer, legt sich der Ministerpräsidenten-Kandidat jetzt fest: inhaltlich und personell.

In dieser Woche hat Rüttgers das große Tabuthema der konservativen Opposition angesprochen: die Kopfpauschale. Bereits im vergangenen Jahr hatten sich CDU und CSU auf das Ende der solidarischen Krankenversicherung geeinigt – gegen den erbitterten Widerstand von alten CDU-Sozialpolitikern wie Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm. Der Formelkompromiss der Schwesterparteien, eine pauschale Pro-Kopf-Abgabe von rund 170 Euro statt sozial gestaffelter Beiträge, ist vor allem im Landesverband NRW umstritten. Auch ein von Merkel in Aussicht gestellter steuerlicher Ausgleich für Einkommensschwache kann die Kritiker nicht beruhigen. „Die Kopfpauschale ist kompliziert und sozial ungerecht“, ist aus Parteikreisen der CDU-NRW zu hören. Diese verbreiteten Bedenken hat der nordrhein-westfälische Spitzenkandidat jetzt aufgegriffen.

Der Rüttgers-Vorschlag, die Höhe der Kopfpauschale für sozial Schwächere abzusenken, hat den heftigen Streit innerhalb der Union weiter angeheizt. Doch Rüttgers ignoriert die Appelle von Angela Merkel zur Geschlossenheit. Gestern sollte der Rüttgers-Plan im NRW-Landesvorstand diskutiert werden. Die Botschaft aus dem Westen lautet: Die Union muss den Kopfpauschalen-Konflikt jetzt lösen. CDU-NRW-Fraktionsvize Hermann-Josef Arentz hat gestern offen gelegt, welches Kalkül hinter dem Rüttgers-Vorstoß steht. „Wir dürfen der SPD bei der NRW-Landtagswahl keine offene Flanke bieten“, so der Chef der Sozialausschüsse. Im Klartext: die West-CDU muckt auf und will 2005 ohne bundespolitischen Ballast Wahlkampf machen.

Auch personell sorgt Rüttgers für Klarheit. Noch im Herbst wird er wohl sein Schattenkabinett vorstellen. Der Wahlkampf wird nur formal von Partei-Sekretär Reck geleitet. Rüttgers-Berater Michael Spreng, „Spin Doctor“ des gescheiterten CSU-Kanzlerkandidaten Stoiber, gibt in Wahrheit die Linie vor. Alles für den 22. Mai 2005 – Rüttgers schafft Fakten. MARTIN TEIGELER