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Archiv-Artikel

Schlampe? Lampe!

Was tun, wenn Internetfilter auch sinnvolle Seiten blockieren? Ein Ehepaar aus dem Breisgau handelt

Wenn die Kinder neben ihm spielen, kümmert sich Hermann Wöhler oft um die Internetseite www.circle.de, die er zusammen mit seiner Frau Irena Bötcher betreut. Pervers ist für viele Menschen das Thema, dem sie sich widmen: Sadomasochismus. Und deswegen wurde das Paar unlängst auf Betreiben der Schule seiner Kinder sogar von der Polizei vernommen: „Die Beamten waren aber sehr nett“, sagt Wöhler. Kein Wunder.

Denn eigentlich wollen die beiden den Jugendschutz im Internet vorantreiben: „Wir schauten im Internet, was es zum Thema Sadomasochismus gibt“, sagt Wöhler, „und waren schockiert. Wir haben uns deshalb gefragt: Ist es möglich, sich dem Thema mit einem geistigen Anspruch zu nähern?“ Auf www.circle.de geht es daher vor allem um die Frage, wie der Jugendschutz im Internet besser vermittelt werden kann. Denn oft werden auch harmlose Seiten gesperrt, nur weil sie bestimmte Schlüsselwörter enthalten – man denke an die berühmte Schlampe in der Nachttischlampe.

Deshalb wollen Hermann Wöhler und Irena Bötcher eine Mediationsstelle betreiben, an die sich Betreiber von Websites wenden, die sich bei Filterprogrammen falsch kategorisiert fühlen; Webmaster, deren Seiten geblockt werden, können meist nichts tun, selbst wenn sie sich nach dem Jugendschutz richten. „Overblocking“ nennt man das. Und so haben Wöhler und Bötcher bereits Kontakt zur Firma Jusprog.de aufgenommen, die ein Jugendschutzprogramm im Auftrag von Beate Uhse, Coupé und der Erotik-Sendung „Wa(h)re Liebe“ entwickelt hat. Auch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), die von den Bundesländern nach dem Massaker von Erfurt vor zwei Jahren gegründet wurde, steht dem Projekt offen gegenüber. „Es ist einfach ein unangenehmer Gedanke“, sagt Hermann Wöhler, „dass roboterartige Programme darüber entscheiden, welche Seiten wir im Internet besuchen können.“ Einfach hatten es die beiden nicht, als sie mit der Idee in die Öffentlichkeit traten. Sie sprachen Politiker von Union bis SPD direkt an. Einige ließen ein Gespräch gar nicht zu.

Eine SPD-Landtagsabgeordnete in Baden-Württemberg kommentierte nur, sie könne nicht dabei helfen, Pornos im Internet zu verbreiten. „Da sind auf der einen Seite die Menschen, die Informationen im Netz selber steuern und darüber entscheiden wollen, was zugänglich ist“, sagt Wöhler. Und auf der anderen Seite Hersteller von Internetfiltern, die über Blockadekriterien selbst entscheiden wollen.

Für die Realisierung der Mediationsstelle hat Hermann Wöhler auch schon eine Idee: „Zur Not würden meine Frau und ich die Arbeit machen.“ NIKLAS ALT