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Archiv-Artikel

Wenn der Job zum Albtraum wird

Folter, Arrest, Vergewaltigungen: „Human Rights Watch“ beschreibt das Schicksal ausländischer Arbeitsmigranten in Saudi-Arabien, vor allem aus Entwicklungsländern. Die saudischen Behörden waren bei den Untersuchungen nicht kooperativ

VON BEATE SEEL

Gewalt durch Arbeitgeber, eklatante Menschenrechtsverletzungen – diese Vorwürfe erhebt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in einem gestern veröffentlichten Bericht über die Misshandlung von ausländischen Arbeitern in Saudi-Arabien. In dem 135-seitigen Report mit dem Titel „Bad Dreams“ (Schlechte Träume) wird eine umfassende unabhängige Untersuchung der Situation von Arbeitsmigranten in dem Land gefordert.

Ausländern, die in Saudi-Arabien in Haft geraten, werden dem Bericht zufolge Besuche ihrer Konsulate verweigert. Häufig müssen sie Geständnisse auf Arabisch unterzeichnen, obwohl sie die Sprache nicht beherrschen. Auch sind Fälle von Folter und Enthauptungen belegt, bei denen Botschaften und Familien erst im Nachhinein davon erfuhren. Frauen können durch so genannte „unerwünschte Schwangerschaften“ leicht in die Fänge der Justiz geraten – sprich, nach einer Vergewaltigung durch einen Arbeitgeber oder dessen Angehörige. Dem Thema der materiellen und sexuellen Ausbeutung von Arbeiterinnen ist ein eigenes Kapitel gewidmet.

Ausländische Arbeitskräfte sind in Saudi-Arabien keine gesellschaftliche Randerscheinung. Jüngste Zahlen des Arbeitsministeriums in Riad gehen von 8,8 Millionen aus – bei einer Gesamtbevölkerung von 17 Millionen. Die meisten der Migranten sind schlecht bezahlte Arbeiter und Hausangestellte aus Asien, Afrika und dem Mittleren Osten.

Für viele Migranten wird der Aufenthalt zu einem persönlichen Albtraum. „Wir fanden Männer und Frauen, die wie Sklaven behandelt werden“, sagte Sarah Leah Whitson, Nahost-Direktorin von HRW. „Mit jedem Fall bestätigt sich, dass die Saudis beim Thema Missbrauch von Gastarbeitern einfach Augen und Ohren verschließen.“

Sicherlich gibt es Ausländer in Saudi-Arabien, vor allem gut ausgebildete Experten in der Ölindustrie, die nach Ablauf ihres Vertrages keinen Grund zur Klage haben. Auch gibt es zahlreiche Familien, die ihre Hausangestellten oder Fahrer gut behandeln. Aber die Zahl der Fälle menschenunwürdiger Arbeits- und Lebensbedingungen scheint signifikant, auch wenn darüber keine Statistiken vorliegen.

In einem Fall arbeiteten ungefähr 300 Frauen aus Indien, Sri Lanka und den Philippinen in 12-Stunden-Schichten an sechs Tagen der Woche als Reinigungskräfte in Krankenhäusern in Dschiddah. An jedem Wochenende wurden sie in ihr völlig überfülltes Wohnheim zurückgebracht, wo sich jeweils 14 Frauen einen kleinen Raum mit Etagenbetten teilten. Die Zimmertüren wurden anschließend von außen abgeschlossen.

HRW hatte im Vorfeld der Untersuchung Gespräche mit saudischen Regierungsbeamten geführt. Auf Anfragen, vor Ort Untersuchungen durchzuführen, erfolgte jedoch keine Reaktion. Daher wurden die Interviews für den Bericht in Indien, Bangladesch und den Philippinen mit Frauen und Männern geführt, die vor kurzem aus Saudi-Arabien zurückgekehrt waren.

„Die Probleme Saudi-Arabiens liegen noch viel tiefer als die Terroranschläge, die unschuldige Zivilisten treffen“, sagte Whitson. „Die Tatsache, dass ausländische Arbeiter so behandelt werden können, zeigt, dass es im saudischen Strafrechtssystem fundamentale Lücken gibt.“

www.hrw.org