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Archiv-Artikel

Familien in die Überseestadt

Der neue Senatsbaudirektor hält die Vorstellung, Familien würden nicht gerne in Hafennähe leben, für falsch. Gestern stellte er mit der Baufirma Justus Grosse den Entwurf eines Wohnhauses vor

von Eiken Bruhn

Für die beiden Herren von der Baufirma Justus Grosse symbolisiert es die „Sehnsucht nach dem Süden“ und eine „maritime Zeitlosigkeit“, der Senatsbaudirektor nennt es „ein schönes Versprechen“. Die Rede ist von einem Haus, genauer gesagt von einem Entwurf des Kopenhagener Architekten Carsten Lorenzen. Am Mittwochabend kürte ihn eine achtköpfige Jury zum Sieger eines Architektenwettbewerbs für ein Wohngebäude in der Überseestadt. Der achtgeschossige weiße Bau mit den großen Balkonen und Fenstern „kommt am besten mit dem Standort“ zurecht, formulierte es gestern Joachim Linnemann, geschäftsführender Gesellschafter der Justus Grosse GmbH, die in den nächsten Jahren neben Büros und Ladengeschäften auch rund 150 Wohnungen in einem Gebiet zwischen dem Speicher XI und der Weser errichten wird.

Rund ein Drittel davon sind als Mietwohnungen geplant und befinden sich im „Landmark Tower“, einem 20-stöckigen Hochhaus, das am 10. Oktober 2010 bezugsfertig sein soll. Zehn bis 15 Euro wird der Quadratmeter in dem Niedrigenergiehaus etwa kosten, dafür gibt es laut Homepage Echtholzparkett, eine Deckenhöhe von 2,70 Meter und einen „hohen Sicherheitsstandard“ – dazu erscheint das Foto einer Gegensprechanlage. Fünf Mietverträge seien bereits unterschrieben, sagt Linnemann, die Nachfrage selbst für den Bauherrn überraschend gut.

Das gestern vorgestellte Gebäude gehört zu einer Reihe kleinerer Häuser hinter dem Großmarkt am Fluss und wird 31 Wohnungen zwischen 70 und 140 Quadratmetern bieten, alle mit Weserblick, hohen Wänden und Balkonen, Kaufpreis um die 3.500 Euro pro Quadratmeter. Dennoch gehen sowohl die Bauherren als auch der Senatsbaudirektor Franz-Josef Höing davon aus, dass die zukünftigen Bewohner und Bewohnerinnen „eine bunte Mischung“ bilden werden. Er sei sich außerdem sicher, dass auch Familien einziehen würden, sagt Höing. Damit schlägt er einen neuen und anderen Ton an als etwa die grüne Baupolitikerin Karin Krusche. Die hatte noch vor einem halben Jahr der taz gesagt, die Überseestadt sei ein Wohngebiet, das „sich ausdrücklich nicht an Familien wendet“. Höing sieht das anders und bezeichnet Vorstellungen, Menschen mit Kindern würden am liebsten im Reihenhaus im Grünen wohnen, als überholt. „Es gibt Familien, die genau so gerne in so einem urbanen Milieu leben wie andere auch.“ Kindergärten sind dennoch bisher nicht geplant in dem Gebiet, aber auch nicht ausgeschlossen, wie der Bauherr Linnemann sagt. „Man muss die Nachfrage abwarten“, sagt Höing und dass man manchmal eben auch „von der Realität eingeholt“ werde. In einem anderen Teil der Überseestadt, dem innenstadtnahen „Speicherhafen“, hingegen haben die Bauherren in einem Neubau Platz für eine Kita.

Nicht ausgestanden ist die Auseinandersetzung mit dem Unternehmen Kelloggs direkt gegenüber der Bürogebäude im Speicherhafen. Das hatte gegen die Stadt Bremen geklagt, weil sie eine Büronutzung erlaubt, Kelloggs aber befürchtet, dass es in den Schutz vor Lärm und Gestank investieren muss. Das Klageverfahren wurde unterbrochen, weil Kelloggs und Justus Grosse sich außergerichtlich einigen wollten. Gestern teilte Kelloggs mit, dass die „Vergleichsverhandlungen noch nicht beendet sind“.

Diskussion zum Wohnen in der Überseestadt: 24. 2., 19 Uhr, Speicher XI