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Archiv-Artikel

american pie Eishockeycoach Herb Brooks tödlich verunglückt

Der Wundertäter von Lake Placid

„Es scheint, als ob alle großen Erneuerer jung sterben“, sagte Ken Morrow, Verteidiger im Eishockey-Team der USA, das 1980 sensationell olympisches Gold gewann, als er vom tödlichen Unfall seines damaligen Coaches Herb Brooks erfuhr. Der 66-Jährige hatte am Montag auf einem Highway in Minnesota die Kontrolle über seinen Minivan verloren.

Morrow erwies sich mit seiner Äußerung als perfekter Schüler von Brooks, der nicht nur als Eishockeytrainer, sondern auch als Urheber unzähliger Sinnsprüche berühmt war – so genannte „Brooksisms“, über die manche Spieler sogar Buch führten. „Schande über dich, wenn du mich einmal reinlegst“, lautet ein Brooksism, „wenn du mich zweimal reinlegst, Schande über mich.“ Eine Weisheit, die nach 1980 gut in die Kabine der sowjetischen, als unschlagbar geltenden Sbornaja gepasst hätte. Nur, dass diese keine zweite Chance bekam.

Zehn Minuten vor Ende des entscheidenden Matches um die Goldmedaille war das Team unbekannter Collegeboys in Lake Placid mit 4:3 in Führung gegangen – und die konsternierten Puckvirtuosen aus Moskau wussten keine Antwort mehr. „Sie gerieten in Panik“, erinnert sich Torhüter Jim Craig, „sie bolzten den Puck nur noch vor und hofften auf einen Durchbruch.“ Vergebens.

Das „Miracle on Ice“ wird in den USA regelmäßig zum größten Sportereignis der Geschichte gewählt. Während große Baseball- oder Footballmatches vor allem bei den Anhängern der beteiligten Teams zur Legende wurden, ergriff das unverhoffte Eiswunder die ganze Nation, obwohl die Partie nicht einmal live im Fernsehen kam. Brooks zehrte seither vom damaligen Ruhm. Ein ähnlicher Erfolg gelang ihm nie wieder – weder als NHL-Coach noch als Trainer des US-Teams bei Olympia 2002 in Salt Lake City, wo, ziemlich genau 20 Jahre nach Lake Placid, zwar erneut die Russen geschlagen wurden, das Finale gegen Kanada aber verloren ging.

„Das ist Eis da draußen, kein Asphalt, Holz oder Dreck“, pflegte Brooks zu sagen, „wir bevorzugen rasantes, dynamisches Spiel.“ Ein Credo, mit dem er auch den Stil in der NHL prägte, wo er u. a. New Jersey, Pittsburgh und die Rangers betreute. Vor allem aber predigte er immer wieder jene Tugenden, die auch das Wunder von 1980 ermöglichten: Glaube an sich selbst, Teamgeist statt Egoismus. Als sich die Spieler in Lake Placid auf dem Eis feiern ließen, ging Herb Brooks in die Kabine. „Es war ihr Moment“, erklärte er seinen stillen Abgang viel später. Zuvor war die Antwort stets eine andere gewesen: „Ich musste aufs Klo.“ MATTI LIESKE