EINE AUSSTELLUNG ÜBER DIE RAF KANN NICHT „UNMISSVERSTÄNDLICH“ SEIN
: Die Logik der Kunst

Die Debatte um die RAF-Ausstellung in den Berliner „KunstWerken“ war von Beginn an eine Posse. Der Vorwurf, hier werde ein sanftes Bild der RAF gemalt und solle historische Gegenaufklärung betrieben werden, war stets aus der Luft gegriffen. Gefahr droht dieser Ausstellung von ganz anderer Seite: von jenen, die mehr oder weniger an der Austellung beteiligt sind und die, von dem medialen Wirbel aufgescheucht, vor allem anderen eines wollen: bitte bloß keinen Skandal!

So töricht es wäre, mit dem RAF-Thema einen Skandal anzuvisieren, so unproduktiv ist es, bloß alles zu versuchen, um die Sache nur unfallfrei über die Bühne zu bekommen. Eine RAF-Ausstellung muss streitbar sein. Eine total konsenstaugliche Ausstellung, die artifizielle Ikonisierungen der RAF verträglich neben die Perspektive von angehörigen RAF-Opfern stellt, wäre das Geld nicht wert. Sie betriebe, nebenbei, eine ziemlich unreflektierte Versöhnung, für die es wenig Gründe gibt.

Kulturstaatsministerin Weiss fordert nun einen „unmissverständlichen Titel“ für das Unternehmen, schon „Mythos RAF“ gilt als zu dubios. Zudem meint die Ministerin, dass „die Gefahr, dass die RAF verklärt werden könnte“, hundertprozentig ausgeschlossen gehört. Mag sein, dass damit der atemlosen, hysterischen Kritik an der Ausstellung der Wind aus den Segeln genommen werden soll – gleichwohl ist diese Tonlage schief. Es geht hier wohlgemerkt nicht nur um eine Geschichts-, sondern auch um eine Kunstausstellung. Und Kunst lässt sich kaum an die Kandare unmissverständlicher Distanzierungen nehmen. Die berühmten verwaschen grauen Bilder der RAF-Täter von Gerhard Richter betreiben durchaus so etwas wie eine Mythisierung – genauer: Es liegt im Blick des Betrachters, ob er darin eine Mythisierung oder das Gegenteil erblickt. Kunst ist eben interpretationsoffen und daher genau das, was Ministerin Weiss nicht will: missverständlich. Eine RAF-Ausstellung, aus der alle Ambivalenzen, alle denkbaren Missverständnisse getilgt wären, ist überflüssig. Und sie wäre ein Armutszeugnis für die hiesige politische Kultur. STEFAN REINECKE