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Archiv-Artikel

Steiniger Weg zur Neugestaltung des Irak

Ein Komitee des irakischen Regierungsrats soll den Prozess für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung einleiten

BAGDAD taz ■ Als ersten Schritt auf dem Weg zur Überwindung der 35-jährigen Diktatur im Irak hat der Regierungsrat ein Komitee geschaffen, das die Ausarbeitung einer neuen Verfassung auf den Weg bringen soll. Die Verfassung selbst werden die 25 Mitglieder des Komitees nicht erarbeiten, sagte der derzeitige Vorsitzende des Regierungsrats, Ibrahim Jafari, auf einer Pressekonferenz am Montagabend in Bagdad. Aufgabe des Komitee sei es, sich mit allen Teilen der Gesellschaft auseinander zu setzen, um einen Verfassungsgebungsprozess einzuleiten.

Wie schwierig das wird, zeigte schon im Vorfeld das zähe Ringen um die Besetzung des Komitees. Schließlich einigte man sich darauf, dass jedes Ratsmitglied eine Personen für das Verfassungskomitee ernennt. Insofern spiegelt das Komitee, dem keine Frau angehört, auch die politische Zusammensetzung des Rats, in dem die Schiiten ein leichtes Übergewicht haben. Neben Vertretern der „Gruppe der sieben“ setzt sich die Kommission aus vier Richtern, Rechtsanwälten, Professoren und Lehrern sowie schiitischen und sunnitischen Geistlichen zusammen.

Der Hohe Rat für die islamische Revolution im Irak (Sciri) hat Abbas al-Bayati, einen Bruder des Londoner Sciri-Sprechers, ins Rennen geschickt. Für die Kurden sitzen unter anderem die beiden Politveteranen Sami Abdur Rahman von der Demokratischen Partei und Fuad Masum von der Patriotischen Union in der Kommission. Der Irakische Nationalkongress (INC) von Ahmed Chalabi ernannte überraschend den angesehenen Exilautor Kanan Makiya. Makiya hatte in den letzten Monaten wiederholt betont, kein politisches Amt anzustreben, äußerte sich bislang aber als einer der wenigen Intellektuellen deutlich zur Frage der künftigen Verfassung. Danach sollte der neue Irak weltlich ausgerichtet und föderal aufgebaut sein. Allerdings lehnt er den von den Kurden favorisierten Föderalismus ab, der einen lockeren Staatenbund aus einem arabischen und kurdischen Bundesstaat vorsieht. Stattdessen fordert Makiya eine föderale Ordnung, nicht nach ethnischen, sondern nach verwaltungstechnischen Kriterien. Das ist wiederum für die Kurden nicht akzeptabel, die in der Schaffung eines Bundesstaates Kurdistan die einzige Garantie dafür sehen, dass sie nie wieder Opfer von Verfolgung und Ermordung werden.

Parteien wie die Irakische nationale Eintracht (Wifaq), die an dem mittlerweile überholten Panarabismus festhalten, zeigen indes wenig Neigung, den Kurden in dieser Frage entgegenzukommen. Sie verlangen, wie bisher in der Verfassung festzuschreiben, dass das Zweistromland ein arabischer Staat ist, was die Kurden ablehnen. Einig sind sich die Kurden mit den Liberalen und einigen Nationalisten in der Frage des Säkularismus, der aber bei den religiösen Parteien auf Widerspruch stößt.

Einige sunnitische Geistliche, aber auch schiitische Gelehrte von der Hawza, der Sammlung der religiösen Seminare in Nadschaf, verlangen die Aufnahme des Islam als Staatsreligion in die Verfassung. Zudem gab der Primus inter Pares der Hawza, Said Ali al-Sistani, Ende Juni ein Fatwa (Rechtsgutachten) heraus, das die Ernennung der Mitglieder der verfassunggebenden Versammlung ablehnt. Das sei kein Widerspruch zum jetzt gebildeten Komitee, sagte Jafari. „Der Prozess der Entscheidungsfindung kann jetzt beginnen.“ Von einigen jungen Geistlichen abgesehen, hat sich die Mehrheit der Gelehrten von Nadschaf in politischen Fragen eher zurückgehalten. Im Gegensatz zum Regierungsrat ist die Hawza laut Jafari nun mit einem Vertreter am Verfassungskomitee beteiligt.

Eine neue Verfassung ist der Grundstein auf dem Weg zu einem demokratischen Irak, wie ihn die angloamerikanische Koalition versprochen hat. Sobald es eine Verfassung gibt, soll in einem Referendum über sie abgestimmt werden, wie US-Verwalter Paul Bremer angekündigte. Danach sei der Weg frei für demokratische Wahlen, die dem Land erstmals in seiner Geschichte eine repräsentative Regierung bescheren sollen.

Jafari versetzte indes den Erwartungen einen Dämpfer, dass dieser Prozess schnell abgeschlossen werden könnte. Frühestens in einem Jahr sei mit Wahlen zu rechnen, sagte Jafari. Vorrang habe die Bildung einer Regierung, über die bislang keine Einigung erzielt wurde. „Wir kämpfen mit dem Erbe einer 35-jährigen Diktatur“, sagte Jafari. Um dieses zu bewältigen, brauche es Geduld. INGA ROGG