: Gilligan sagt aus
Britischer BBC-Reporter Gilligan vor Ausschuss zum Fall David Kelly: Waffenexperte warf der Regierung vor, die Irak-Gefahr aufzubauschen
LONDON taz ■ Der BBC-Reporter Andrew Gilligan bleibt dabei: Biowaffen-Experte David Kelly habe ihm gesagt, die britische Regierung hätte ein Dossier über irakische Massenvernichtungswaffen aufgebauscht. So sollten die Briten auf den Krieg eingestimmt werden. Verantwortlich dafür sei Tony Blairs Chefsprecher Alastair Campbell gewesen. Gilligan sagte, er habe zwei „hochrangige Regierungsbeamte“ mit Kellys Aussage konfrontiert: Keiner bestritt die Richtigkeit.
Gilligan sagte gestern vor dem Untersuchungsausschuss aus, der Licht in den Fall Kelly bringen soll. Der Wissenschaftler wurde Mitte Juli unweit seines Hauses in Oxfordshire mit aufgeschnittener Pulsader tot aufgefunden. Zuvor hatte ihn die Regierung als BBC-Informanten bloßgestellt und wie einen Landesverräter verhört.
In Gilligans Radiobericht vom Mai ging es vor allem um die Behauptung im Dossier, der Irak könne seine Massenvernichtungswaffen binnen 45 Minuten aktivieren. Kelly hat laut Gilligan gesagt, dass es nur eine Quelle für diese Information gab und sie daher unzuverlässig war. Sie sei auf Campbells Druck jedoch nicht aus dem Dossier entfernt worden. Gilligan zitierte Kelly anhand der Notizen eines Gesprächs, das er im Mai mit ihm geführt hatte: „Saddams Waffenprogramm war klein. Er hätte nicht sehr viele Leute damit umbringen können, selbst wenn alles für ihn gut gelaufen wäre – also keine Massenvernichtung in der wahren Bedeutung des Wortes.“ Auf die Frage, warum Kelly ihm das Interview gab, sagte Gilligan: „Ich glaube nicht, dass er sich mit der Regierung anlegen wollte. Ich nehme an, er wollte nur seine Meinung sagen.“
Gilligan hatte den Wissenschaftler Anfang 2001 kennen gelernt. „Auf eine merkwürdige Art war er ein Lehrer“, sagte Gilligan. „Er wollte sein Wissen über ein bestimmtes Thema teilen.“ Sein Thema waren die biologischen Waffen. Kelly war als Inspektor 37-mal im Irak. „Von den Inspektoren fürchteten die Irakis niemanden mehr als Dr. Kelly“, sagte Gilligan. „Aber sie repektierten ihn auch. Er traute ihnen nicht über den Weg.“ Glenmore Trenear-Harvey, ein Geheimdienstkenner, bezeichnete Kelly gestern als „Großbritanniens besten Experten für Massenvernichtungswaffen“. Die Regierung hingegen hatte seit seinem Tod versucht, Kellys Expertise in Zweifel zu ziehen. Die von Lordrichter Brian Hutton geleitete Untersuchung beschränkt sich auf die Ereignisse, die zu Kellys Tod geführt haben. Eine Untersuchung, die sich mit den offiziellen Begründungen für den Angriff auf den Irak beschäftigt, ließ Blair nicht zu. Ob Campbell das Dossier vom September „sexier“ gemacht hat, klärt die Untersuchung nicht. Das für Spätherbst erwartete Ergebnis wird die meisten Briten daher kaum zufrieden stellen. RALF SOTSCHECK