Staatssklaven fordern ihren Lohn

Arbeiter aus Mosambik mussten in der DDR die Schulden ihres Landes abarbeiten

Ab dem vierten Arbeitsmonat floss ein Teil des Geldes auf ein Staatskonto

BERLIN taz ■ Die Besetzung der deutschen Botschaft in Maputo, die auch am gestrigen Freitag noch andauerte, lenkt die Aufmerksamkeit auf ein fast vergessenes Kapitel der ostdeutschen Geschichte. Seit Jahren schon versuchen einstige DDR-Vertragsarbeiter, ihnen vorenthaltene Teile ihres bis 1990 erarbeiteten Arbeitseinkommens und ihre Rentenversicherungsbeiträge einzufordern. Knapp 22.000 Mosambikaner sollen zwischen 1979 und 1990 in der DDR gearbeitet haben, und den Angaben ihrer Organisationen zufolge wurden ihnen 300 Millionen Dollar vorenthalten.

Die „Regressados“ sind gut organisiert. Vor zwei Jahren musste sich das Parlament in Maputo mit ihrem Anliegen befassen, nachdem sie auf der 1.-Mai-Kundgebung Präsident Joaquim Chissano ausgepfiffen hatten. Ihre finanziellen Forderungen richten sich nicht an die Bundesregierung. Doch von der deutschen Botschaft erhoffen sie sich Nachweise der einst an ihre Regierung transferierten Gelder und internationalen Druck.

Als „Staatssklaven“, so die frühere Ausländerbeauftragte Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP), mussten die Mosambikaner mit einem Teil ihres Arbeitseinkommens zur Tilgung von Staatsschulden des südostafrikannischen Staates bei der DDR beitragen. Das ist einmalig. Vertragsarbeitern aus anderen Ländern waren dazu nicht verpflichtet.

So sah eine Vorlage des SED-Politbüros 1988 vor, die Zahl der mosambikanischen Arbeitskräfte innerhalb eines Jahres von 16.500 auf 18.000 zu erhöhen, um mit den Zwangstransferleistungen die Staatsschulden Mosambiks bei der DDR von 367 auf 66 Millionen Clearing-Dollar zu reduzieren. Ab dem vierten Arbeitsmonat mussten die Regressados Teile ihres Einkommens auf ein Staatskonto einzahlen.

In den Neunzigerjahren erhielten Rückkehrer nach jahrelangen Protesten lediglich symbolische Teile dieses Zwangstransfers zurück. Sie fordern heute die Auszahlung der Differenz. Statt die Gelder zu verzinsen, machte die Bundesrepublik nach Angaben der Regresados lediglich Abzüge für Steuern geltend. Außerdem wurden nicht die aktuellen Wechselkurse zugrunde gelegt, sondern die weit ungünstigeren Relationen aus den Achtzigerjahren.

Neben dem einbehaltenen Lohn fordern die Regresados auch die Auszahlung ihrer Rentenbeiträge. Nur die Hälfte der Versicherungsbeiträge verblieb in der DDR und kam den Vertragsarbeitern in Form gesundheitlicher Betreuung und Krankengeld zugute. Die andere Hälfte wurde nach Mosambik auf ein Regierungskonto transferiert. Laut Regierungsabkommen sollten die Vertragsarbeiter nach ihrer Rückkehr aus diesen Geldern „alle Leistungen der Sozialversicherung entsprechend den Rechtsvorschriften und zu Lasten der Volksrepublik Mozambique“ erhalten. Dabei wurde ignoriert, dass es in dem südostafrikanischen Staat überhaupt kein soziales Netz gab und bis heute nicht gibt.

Vor zwei Jahren fand die Bundesregierung eine humanitäre Lösung für ehemalige Vertragsarbeiter aus Vietnam, Angola, Mosambik und Kuba, die noch in Deutschland leben. Ihnen wurden die Arbeitsjahre in der DDR als Beitragsjahre für die deutsche Rente angerechnet – weil es selbst dem Gesetzgeber unrealistisch erschien, dass die auf Regierungskonten der Herkunftsländer transferierten Rentenversicherungsgelder jemals wieder an die Menschen zurückfließen, die sie erarbeitet hatten. Die Vertragsarbeiter, die bereits ausgereist waren, profitierten von dieser Regelung allerdings nicht.

MARINA MAI