: Lehrer verschnupft über neue Kritik
Nach der Pisa-Schülerstudie legt die OECD einen Bericht über die Leistungen deutscher Pädagogen vor. Das Papier sorgt bereits für Unruhe, bevor es offiziell veröffentlicht ist: Die Lehrer verdienen zu viel, sind zu alt und zu wenig an Fortbildung interessiert
AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER
Die Lehrer haben die Nase voll. Sie wollen die dauernde Klage, deutsche Pauker seien gut bezahlt, aber schlecht ausgebildet und kaum in der Schule anzutreffen, nicht länger hören. „Das Verfahren, mit dem hier auf Lehrer eingeschlagen wird, ist ominös“, sagte der Vorsitzende des zweitgrößten deutschen Lehrerverbandes, Ludwig Eckinger. „Wir kennen die kritischen Punkte unseres Berufes sehr genau“, meinte der Chef des Verbandes Bildung und Erziehung, „aber das, was jetzt geschieht, schadet der Profession.“
Eckinger reagierte damit auf die für Herbst erwartete Studie „Attracting, Developping and Retaining Effective Teachers“, aus dessen Vorstufe die taz bereits Ende vergangenen Jahres berichtet hatte. Für Aufregung sorgen nun Medienberichte, wonach die Kultusministerkonferenz (KMK) die Veröffentlichung der brisanten Studie hintertreiben soll. Ein Sprecher der KMK wies diese Darstellung zurück und beharrte darauf: „Es ist schlicht falsch, dass wir mit der OECD wegen der Lehrerstudie nicht kooperieren.“ Die Kultusminister hätten alle internen Stellungnahmen an die Pariser Bildungsbeobachter abgegeben, sie warteten nun auf die Veröffentlichung des Endberichts.
In der Tat bietet der Bericht eine schonungslose Analyse der deutschen Lehrerschaft. Dem Papier, dessen unredigierte Letztfassung der taz vorliegt, ist zu entnehmen, dass es mit der deutschen Lehrerbildung im Argen liege. Zudem weisen die Autoren auf zwei deutsche Besonderheiten hin: Die deutschen Lehrer werden so gut bezahlt wie kaum ein Pädagoge in den 25 Vergleichsstaaten – und sie sind, neben ihren italienischen Kollegen, im Durchschnitt so alt wie nirgendwo sonst.
Der internationale Bericht listet Besorgnis erregende Zahlen auf. 45 Prozent der Grundschullehrer etwa waren im Jahr 2001 älter als 50 Jahre. Damit hat sich die Anteil der über Fünfzigjährigen unter den Primarpaukern innerhalb von zehn Jahren fast verdoppelt. In den weiterführenden Schulen waren sogar 51 Prozent der Lehrkräfte mehr als 50 Jahre alt. Zudem stellt der Bericht fest, dass die Lehrer in Deutschland am wenigsten an Fortbildung interessiert sind. Ähnlich unmotiviert zeigen sich nur die Kollegen in Korea und Griechenland. Auch haben die Rektoren hierzulande praktisch keinen Einfluss darauf, welcher Lehrer ausgewählt oder entlassen wird.
Das Resümee eines der Bildungsgutachter, die Deutschland vorigen September besucht hatten, fiel dementsprechend niederschmetternd aus. „Das heutige System deutscher Schule gehört zu einem vergangenen ökonomischen und gesellschaftlichen System“, sagte der Schwede Mats Ekholm – und bezog seine Kritik ausdrücklich auf die Lehrerbildung.
Die Lehrer kennen die Kritik gut. Eva-Maria Stange, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft, will zunächst die Endfassung der Berichts abwarten. Aber es sei klar, „dass wir das Chaos der deutschen Lehrerbildung beseitigen müssen“. Es sei nötig, das fragmentierte Bild des Lehrers zu harmonisieren. „Wir brauchen eine einheitliche Lehrerausbildung – und keine, die für Grund-, Haupt-, Real- und Oberschulen scharf getrennt ist“, forderte Stange. Sie mahnte, Lehrerstudenten früher in die Schulen zu bringen und Nachwuchslehrern mehr pädagogische und psychologische Hinweise zu geben.
Ludwig Eckinger vom Lehrerverband VBE teilt die Auffassung seiner GEW-Kollegin fast ganz. Er wünscht sich vor allem einen Wandel im öffentlichen Bild der Lehrer. Bei Erfolg oder Misserfolg von Lehrern „kommt es ganz stark auf das Selbstbewusstsein der Pädagogen an“.