CAP ANAMUR ZEIGT: HILFSORGANISATIONEN BRAUCHEN KONTROLLE : Fakten statt Spektakel
Natürlich war die Rettungsaktion der „Cap Anamur“ nicht spontan. Der Chef der Hilfsorganisation, Elias Bierdel, ließ sich zum Showdown einfliegen, und die Medien waren live dabei. Ist das schlimm? Natürlich nicht. Jährlich ertrinken hunderte, vielleicht sogar tausende Menschen im Mittelmeer, weil sie versuchen, mit klapprigen Kähnen ein besseres Leben in Europa zu erreichen. Damit ihr Sterben zumindest bemerkt wird, braucht es die Medien – und Menschen wie die Mitglieder von Cap Anamur, die sie rufen.
Auch dass Cap Anamur Eigenwerbung macht, ist nicht falsch. Eine Hilfsorganisation braucht vorzeigbare Erfolge, nur dann wird sie von den Medien, der Öffentlichkeit und damit auch von Spendern ernst genommen und unterstützt. Pragmatismus schadet idealistischer Arbeit nicht. Bierdel und seinen Aktivisten hätte die Rettung im Mittelmeer ebenso zum Vorteil gereichen können wie den Afrikanern. Doch so klug der Ansatz, so dumm die Ausführung. Ohne mit der deutschen Regierung zu sprechen, fuhr Bierdel mit wehenden Flaggen auf Sizilien zu. Ohne sich im Vorfeld etwa die Rückendeckung der italienischen Opposition zu holen, wollte er die Mauern der Festung Europa einreißen. Und scheiterte auf ganzer Linie. Bierdels Vorgänger im Amt, Rupert Neudeck, betont, er hätte versucht, schon im Vorfeld für eine Lösung für die Flüchtlinge zu sorgen. Die von Bierdel Aufgenommenen werden wohl schon in der nächsten Woche zurück in ihren Heimatländern sein.
Der Verlauf der Affäre Cap Anamur ist nur ein Beispiel dafür, wie Nichtregierungsorganisationen die inneren Kontrollmechanismen verloren gehen. Ein anderes lieferte Greenpeace bei der Besetzung der Brent Spar. Beide Vorgänge zeigen: Was die Hilfsorganisationen brauchen, ist weniger Spektakel und mehr Sinn für Fakten. Und: Wenn ihre innere Kontrolle öfter versagt, sollten sie darüber nachdenken, ihre Arbeit von externen Gutachtern prüfen lassen. Denn Hilfsorganisationen müssen zwar manchmal handeln wie Großkonzerne à la DaimlerChrysler. Doch sie werden mit anderen Maßstäben gemessen. Werden sie diesen nicht mehr gerecht, werden sie mitsamt ihren Zielen unglaubwürdig. DANIEL SCHULZ