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Archiv-Artikel

Zuhälter sind weiterhin große Vorbilder

Beim „Urban Stylez“-Festival in Ehrenfeld diskutieren ehemalige Gang-Mitglieder aus Deutschland und den USA über „No Go Areas“ in Köln und über einen möglichen Zusammenhang zwischen HipHop-Kultur und Bandenmilieu

Köln taz ■ Beim HipHop geht es nicht um Laberei, sondern darum, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Beim zweiten „Urban Stylez“-Festival auf dem Ehrenfelder Neptunplatz gab es am vergangenen Wochenende nicht nur Beats und Reime satt – auch auf die reine Diskussionskultur wollte man sich zurückbesinnen.

Und weil HipHop nun mal aus den Ghettos kommt, drehte sich die Diskussion in der Neptunbar am Sonntag um eben solche meist großstädtischen Monostrukturen. Ist auch in Köln eine Ghettobildung zu beobachten, fragten die Veranstalter von KölnProgramm. Gibt es in unserer Stadt so genannte „No Go Areas“, Gegenden, die man mit Rücksicht auf die leibliche Gesundheit gänzlich meiden sollte? Und welche Rolle spielt HipHop bei dieser Angelegenheit?

Als Vertreter mit amtlich beglaubigter US-amerikanischer Ghetto-Vergangenheit erklärte die HipHop-Legende Afrika Islam die Rolle von HipHop als Ghettokultur: „It‘s a street culture“ – Graffiti, Breakdance, Rap, das alles gehöre zum HipHop. Damals in der New Yorker South Bronx sei es darum gegangen, den Gang-Strukturen eine positive Massenbewegung entgegen zu stellen. Die Industrie habe lediglich die schlechten HipHop-Klischees über die Medien transportiert. Dabei sei die „größte Gang“ in Amerika ohne Zweifel das „Police-Department“.

Dieter Kegel, Bezirkspolizist mit Sheriff-Funktionin den Kölner Veedeln Nippes und Niehl, ließ sich von Islams Breitseite auf seinen Berufsstand nicht beirren. „Ich hoffe, dass es in Köln noch keine richtigen Ghettos gibt“, sagte er. Bei Gangmitgliedern machte der Stadtteilpolizist nicht etwa ein besonderes Faible für Gewalt aus, sondern vornehmlich die „Suche nach Sicherheit und familiären Strukturen“. Die HipHop Kultur bewertete Kegel als zeitgemäßere „Alternative zum Vereinswesen“.

Innerhalb der Kölner Polizei herrsche eine „Tradition, die Dinge klein zu reden“, warnte hingegen Peter Schran. Schon seit Mitte der 80er gebe es Bandenstrukturen in Köln. Der Filmemacher hatte vor zweieinhalb Jahren mit einer umstrittenen – weil überspitzten – Doku über Jugendgangs im Kölner Westend für Aufsehen gesorgt. Der Einfluss der HipHop-Musik ist aus Schrans Sicht verheerend. Gewalt verherrlichende Gangster-Rapper wie Tupac zählten zu den großen Vorbildern der Nachwuchskriminellen.

Aytekin T., Kölner Banden-Aussteiger und einer der Protagonisten in Schrans Doku, weiß, dass es vor allem die Aussicht auf Macht ist, die in kriminelle Karrieren lockt. „Zuhälter, Drogendealer und Türsteher“ stünden immer noch ganz oben auf der beruflichen Wunschliste der jungen Türken aus seinem Viertel. „HipHopper“ offensichtlich nicht. Oliver Minck