: Herr Flierl hängt die Theater höher
Kultursenator kündigt neues künstlerisches Profil für das Deutsche und das Gorki-Theater an. Das eine soll Nationaltheater, das andere plebejisch-komödiantisch werden. Gorki-Intendant Volker Hesse will seinen Rauswurf 2006 nicht hinnehmen
VON ROLF LAUTENSCHLÄGER
Der Intendant des Maxim-Gorki-Theaters, Volker Hesse, saß am Montag stark schwitzend im Abgeordnetenhaus. Es war warm im Raum 376, wohin der Ausschuss für kulturelle Angelegenheiten den Intendanten eingeladen hatte. Doch die Aufregung Hesses rührte woanders her. Der Intendant hatte gerade öffentlich gegen Kultursenator Flierl (PDS) und die Nichtverlängerung seines Vertrages ab 2006 gekeilt. Ein Unding angesichts der Tatsache, dass Hesse vor Wochen diese Entscheidung noch als gütliche Einigung bezeichnet hatte.
Die Nichtverlängerung seines Vertrages durch Flierl sei „falsch“ und bedeute eine „große Enttäuschung“ für ihn sowie das Theater, sagte Hesse nun. Er verstehe die „Gründe für diese Entscheidung nicht“, monierte er. Die ganze Chose liege wahrscheinlich in einer Art „Beziehungsproblematik“ zwischen ihm und dem Senator. Dass er sich damit um jede Chance einer Korrektur der Flierl-Entscheidung gebracht hatte, ging Gorki-Intendant Hesse wohl danach auf, darum der Schweißausbruch.
Vielleicht lag ein Schwitzgrund mehr auch darin, dass die Stimmung in der außerordentlichen Sitzung über die Intendantenkündigungen des Kultursentors zudem schon zu Beginn recht psychomäßig aufgeheizt war: Die PDS warf der Opposition vor, die Runde in den Sommerferien lediglich zur eigenen Profilierung zu missbrauchen. „Paranoia“, „Neurosen“ und andere tiefenpsychologische Dinge seien im Spiel, analysierte der Kultursenator.
Dass es sich Flierl dann nicht nehmen ließ, gegen Hesse zurückzukeilen, war aus psychologischen Gründen ebenso klar. Das Gorki-Theater – wie auch das Deutsche Theater, dessen Intendant Wilms ebenfalls auf Flierls Abschussliste steht – besitze kein Profil, sondern „schlingere herum zwischen unterschiedlichen Profilen“, begründete der Senator die Hesse-Kündigung. Zudem rechtfertigte er diese mit dem Hinweis, er erwarte von einem Theater wie dem Gorki „überregionale Ausstrahlung“, Hesse habe aber nur „Stadttheater“ gemacht.
Von einem hauptstädtischen Gorki-Theater erwarte er sich zukünftig eine „entschiedenere Dramaturgie, die Pflege der Tradition des kritischen Realismus und plebejisch-komödiantische Weltsicht“, sagte Flierl.
Auch das Deutsche Theater soll nach dem Willen des PDS-Kultursenators zukünftig wieder in der Liga der großen Berliner Bühnen mitspielen können. Nach Meinung Flierls könne die Bühne wieder den Rang eines Nationaltheaters als ein „Haus der klassischen Literatur mit zeitgenössischen Interpretationen, hoher Sprachkultur, herausragenden Regisseuren und großen Schauspielern gewinnen“.
Das Deutsche Theater (DT) müsse in der überregionalen Bedeutung und in der Stadt mit Frank Castorfs Volksbühne, Claus Peymanns Berliner Ensemble (BE) und Thomas Ostermeiers Schaubühne konkurrieren können. Er habe vor, das Deutsche Theater zum „zentralen hauptstädtischen Theater“ zu machen. Flierl: „Es fehlt ein geistiges Zentrum neben Volksbühne und Schaubühne. Das BE kann diese Funktion allein nicht tragen, es parodiert sie auch mehr.“ Dabei solle sich das DT künftig stärker vom BE abgrenzen.
Warum die kulturpolitischen Sprecher von Grünen und CDU darin kein Konzept sehen wollten und ein „langfristiges und überzeugendes kulturpolitisches Konzept für die Berliner Theaterlandschaft“ vermissten, blieb unklar. Recht hatten sie allerdings damit: Die Ablösung Hesses kommt ausgerechnet in einer Aufschwungphase des Hauses. Dies sei „nicht plausibel“, sagte Monika Grütters (CDU) und sprach von „einsamen Entscheidungen“ Flierls, sprich: Neurosen blühen im Sommertheater.