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Archiv-Artikel

Wie Cousteau ohne Calypso

Dem Kampf gegen den Naturfilmer Burkhard Lenninger widmet sich das Finanzamt Cuxhaven inbrünstig. Von seinem Schiff dreht Lenninger als „wertvoll“ anerkannte Tierfilme. Für die Steuer ist das ein Hobby und die „AFK Pirol“ kein „Betriebsmittel“

„Es ist ein Spiel des Aushungerns, um den Steuerpflichtigen mürbe zu machen“:Burkhard Lenninger

von Kai schöneberg

Was wäre Jacques Costeau ohne Schiff, Heinz Sielmann ohne Pirsch auf die Pfuhl- und Uferschnepfe geworden? Wenn die Tierfilmer ihre Steuererklärung beim Finanzamt Cuxhaven abgegeben hätten, wäre statt Weltruhm der Pleitegeier über sie gekommen. So sieht es jedenfalls Burkhard Lenninger. Die Geschichte des Dokumentarfilmers aus Otterndorf an der Elbe erzählt von Steuerpossen und Amtsdramen. Lenningers Konten sind gepfändet, seit acht Jahren liegt er im Clinch mit mittlerweile fast allen Finanzbehörden Niedersachsens. Sechs Aktenordner füllt der Schriftverkehr, zwei Verfahren vor Gericht hat er verloren, weitere laufen noch. „Die wollen einem das Geld aus der Tasche ziehen wie mit einem Staubsauger“, sagt Lenniger. Der Kampf gegen den Amtsschimmel ist seine Lebensaufgabe geworden.

Der Kern des Krieges, die „AFK Pirol“, dümpelt derzeit im Ijsselmeer. Lenninger nennt den 12,08 Meter langen Kutter „Forschungsschiff“ wie Cousteau einst die „Calypso“, für das Amt ist die „Yacht“ ein „Freizeitgegenstand“. Weil ein Boot auch „Hobby“ sein kann, will es die „Pirol“ nicht als „Betriebsmittel“ von der Steuer absetzen. „Ich habe keine Zeit für Lustbarkeiten“, beteuert der Tierfilmer.

Das Amt wolle ihm unterschieben, er sei Freizeit-Kapitän. Immerhin hat die „Pirol“ 1993 noch 455.000 Mark gekostet. Inzwischen geht es angeblich um insgesamt 180.000 Euro, noch mal fast die Hälfte zusätzlich will er in all den Jahren an Berater und Rechtsanwälte gezahlt haben. Lenninger steht am Rand des Ruins.

Als der einstige Kripo-Beamte 1989 an Lymphdrüsenkrebs erkrankte, sattelte er ins Filmbusiness um. Jetzt wollen Lenninger die Finanzbeamten des Landes an den Kragen. Lenninger: „Es ist ein Spiel des Aushungerns, um den Steuerpflichtigen mürbe zu machen.“ Seine Filme heißen „Lebensader Rhein“ oder „Begegnungen mit den Brandgänsen“, viele Preise hat seine CVP Video-Film und Fernsehproduktion mit ihren Lehr- und Doku-Streifen eingeheimst und mehrfach das Prädikat „wertvoll“ erhalten. Das Helgoländer Institut für Vogelforschung adelte den 49-Jährigen sogar damit, er habe sich „in der Ornithologie durch seine hervorragenden Aufnahmen von Wasservögeln einen Namen“ gemacht. Dem Finanzamt ist das egal.

„Um den Lebenszyklus des Haubentauchers zu filmen, braucht man fünf Jahre“, erklärt Lenninger. „Ich kann die Tiere ja nicht wie ein Regisseur am Set hin- und herlaufen lassen.“ Mit einer Kamera mit 1.000 Millimeter Brennweite hat er sich so auf die Lauer gelegt. „Wenn die Flut ins Watt kommt, muss man schwimmen können“, sagt Lenninger. Deshalb die „Pirol“. Das Amt behauptet indes felsenfest, es fehlten ein Logbuch oder Quittungen für Liegegebühren. Die vorgelegten Bilder, die die Arbeit des Dokumentarfilmens dokumentieren sollten, seien nur „Alibi-Fotos“. Ergo: „Eine ausschließliche betriebliche Nutzung und Veranlassung ist unglaubhaft.“

„Aus fachlicher Sicht“ sei doch sonnenklar, dass die „Pirol“ als „fahrendes Aufnahmestudio, Arbeitsplatz bzw. Arbeitsmittel“ für einen Tierfilmer unerlässlich sei, schrieb die Filmbewertungsstelle in Wiesbaden. Dem Finanzamt Cuxhaven fehle wohl „die fachliche Qualifikation“ zur Beurteilung der Lage, die „Ausführungen“ seien „anmaßend und sachfremd“.

Steuerbescheide hätten „die Wirkung eines Gottesurteils: Sie sind unumkehrbar“, soll der Chef des Finanzamts gesagt haben, eine Prüferin der Behörde fragte Lenninger, warum er in seinem Atelier so viele Fernsehgeräte habe. „Aber das sind doch Monitore“, beteuerte Lenninger. Für das Amt blieben es Fernseher.

Seit über einem Jahr produziert er nicht mehr – und es sieht danach aus, als ob ihm die Steuerschulden, die er nicht mal als solche anerkennt, nicht gestundet werden. Eine Genugtuung bleibt Lenninger: Sein Finanzamt landete unlängst in einem Rating über „Know How und Service“ nur auf Rang 538 aller 572 Ämter in Deutschland.