: Rätselhafter Turbo
Die Hochschulen stellen ihre Studiengänge um. Doch der Hamburger Wirtschaft sind Bachelor und Master obskur oder gar unbekannt
Von EVA WEIKERT
Hans-Jörg Schmidt-Trenz ist bekümmert. „Es gibt erhaltenswerte Dinge in dieser Republik“, sagt Hamburgs Handelskammerchef, „und das deutsche Diplom gehört dazu.“ Weil aber die europäischen Länder die Einführung internationaler Studiengänge vereinbart haben, wird das traditionelle Zeugnis jetzt abgeschafft. An Hamburgs Hochschulen läuft die Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse auf Hochtouren. Doch den Arbeitgebern ist vor allem der dreijährige Bachelor ein Rätsel.
„Gerade der Mittelstand weiß nicht, was auf ihn zukommt“, sagt Schmidt-Trenz und warnt vor Schmalspurstudien: „Die Wirtschaft kann nichts anfangen mit einem, der heute nur sechs Semester studiert hat.“ Das ahnt auch die Uni und streitet darum mit dem Senat über die Anzahl der vertiefenden Masterstudiengänge.
Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) hat die Hochschulen verpflichtet, bis 2009 die europatauglichen Abschlüsse zu etablieren (siehe Kasten). Als Regelstudienzeit gelten für den Bachelor sechs und den Master vier Semester. Die Kultusminister erklärten im Oktober den angloamerikanischen Bachelor zum Regelabschluss. Sie erhoffen sich jüngere Absolventen und praxisnähere Lehre von der Zweiteilung. „Die Wirtschaft nahm den Beschluss mit Augenreiben zur Kenntnis“, so Schmidt-Trenz, „jetzt müssen wir das Beste daraus machen.“
Dazu gehört etwa, Bekanntheit und Zustimmung zum neuen Abschluss in Großunternehmen und Mittelstand zu steigern. „Wir müssen riesige Aufklärungsarbeit leisten“, berichtet der Kammer-Hauptgeschäftsführer. Denn während die Hochschulen emsig ihr Angebot umbauen, hat sich bei den Abnehmern der Absolventen wenig getan. „Wenn da ein Beweber mit einem Bachelor kommt“, warnt Schmidt-Trenz, „wissen die Personalchefs nicht, was der kann.“ Der Deutsche Industrie- und Handelstag fand denn auch heraus, dass zurzeit nur jeder fünfte Unternehmer die Einstellung eines Bachelor- oder Masterabsolventen wagen würde.
Beim Hamburger Chemiekonzern Beiersdorf etwa, wo hunderte diplomierte Naturwissenschaftler arbeiten, „herrscht Ratlosigkeit in Bezug auf die neuen Abschlüsse“, wie Sprecher Klaus Peter Nebel einräumt. Bisher ist der sechssemestrige Bachelor „ja wie ein Vordiplom“ und qualifiziere vielleicht für den Laboranten, einen Lehrberuf.
Ein Zeitproblem sieht auch die Architektenkammer. „Es kann nicht sein, dass einer nach ganz kurzer Studienzeit schon Architekt sein will“, so Sprecher Claas Gefroi. Ein sechssemestriges Studium werde die Kammer nicht akzeptieren. „Wer derzeit drei Jahre studiert hat, weiß so gut wie nichts“, findet auch Schmidt-Trenz. Die Unis müssten etwa durch straffere Lehre und verstärkte Studierendenauslese „zulegen“, damit der Bachelor auf dem Arbeitsmarkt bestehe: „Sonst werden alle Studierenden in den Master drängen.“
Doch das können sie gar nicht. Senator Dräger will, dass höchstens 50 Prozent der Bachelorabsolventen weiterstudieren dürfen. „Den Studierenden macht es große Sorge, dass künftig nicht mehr allen ein vertiefendes Studium offen stehen soll“, berichtet Stefan Kühn, Sprecher des Uni-AStA. „Das schafft gefährliche Bildungshierarchien.“
Zwar hat Dräger im Gesetz auf eine Quote für den Master verzichtet. Er droht sie aber durch die Hintertür einzuführen. Denn finanziert werden die Hochschulen künftig nach Absolventenzahlen, wobei der kürzere Bachelor maßgeblich ist. Durch die abschlussorientierte Finanzierung seien die Übergangsquoten fixiert, rügt Holger Fischer, Vizepräsident der Uni. Die Hochschule befinde sich mit Dräger „permanent im Clinch“, weil sie ein rein qualitatives Auswahlverfahren für den Master fordere. Fischer warnt: „Der Senator will ein Basisstudium für die Masse und eine exzellente Ausbildung für eine kleine Elite.“