: Im Schneckenlabyrinth
Am Westerdeich zeigen Architektur-StudentInnen der Hochschule Bremen ihre Visionen von „Idealer Architektur“
„Was wäre, wenn ihr könntet, wie ihr wollt?“ Diese Frage beschäftigte in den vergangenen Wochen 25 Architektur-Studierende der Hochschule Bremen. Einmal so bauen, wie gewünscht, ohne ästhetische Sollerfüllung oder Platzbeschränkungen – die „ideale Architektur“ ist für die Studierenden vor allem eine völlig frei zu gestaltende Architektur. Und eine, die nicht nur auf dem Papier existiert: Sechs Entwürfe zum Thema „Ideale Architektur“ haben die angehenden ArchitektInnen auf einem Parkgelände am Westerdeich in Woltmershausen verwirklicht.
Das Projekt wurde im Rahmen der „Probebühne Architektur“ realisiert. Die „Probebühne“, die Teil der Bremer Kulturhauptstadtbewerbung ist, ermöglicht Studierenden, ihre Ideen auf freien Plätzen zu realisieren und der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der architektonische „Erlebnispark“ auf Woltmershausens Uferwiese, Höhe Duntzestraße, ist eine Zusammenarbeit der Hochschule Bremen und dem Kulturhaus Pusdorf und noch bis Oktober zu besichtigen.
„Wir wollten einmal nicht den nützlichen Kiosk zu entwerfen, sondern Architektur von allen praktischen Zwängen freimachen“, erklärt Hartmut Ayrle die Idee des Projekts. Aus den leichten Materialien sind daher vor allem begehbare Skulpturen geworden: Da steht der schlanke Aussichtsturm gegen das Schneckenlabyrinth, das organisch-anmutende „Wesen“ gegen die kantige Sitzbank. In einem begehbaren Würfel lassen sich farbige Innenwände verschieben und so nicht nur der Tiefenraum, sondern auch seine Farbtönung verändern. Das Ideal ist in diesem Fall die schnelle Veränderbarkeit, wie Anja Langius erklärt. Der interaktive Kubus erinnert dabei an eine überdimensionale Zauberkiste. Eine andere Skulptur widersetzt sich gerade dem Diktat des rechten Winkels: Der achteckige „Tunnel“ soll die Leute „auf einen anderen Weg bringen“, so sein Designer Niko Dörfer. Der Tunnel, sonst Inbild der menschlichen Zivilisation, die sich in die Natur hineinbohrt, erscheint hier als organische Form.
Völlig zweckfrei sind die idealen Bauten jedoch nicht: Als Wahrnehmungsexperimente wollen sie mit allen Sinnen erfahren werden und bilden in der Kette einen architektonischen Erlebnis-Parcours. Und die Ruhbank am Ende ist durchaus als Gebrauchsgegenstand gedacht. Doch auch sie ist nicht bloß zum Ausruhen da – die schrägen Sitzflächen wollen erobert werden.
Das Projekt habe den Studierenden ermöglicht, die „Hindernisse, das Harzige“ der Arbeit auf dem Bau kennen zu lernen, erläutert Ayrle. Manches Ideal konnte dann aber doch nicht so konsequent umgesetzt werden: So ist der mit Rohrmatten verkleidete Turm, mit 16 Metern das Wahrzeichen des Parks, aus Sicherheitsgründen nicht betretbar – stattdessen wurden oben Umlenkspiegel angebracht, durch die der Besucher vom Boden aus in die Ferne sehen kann.
Sibylle Schmidt