piwik no script img

Archiv-Artikel

Hoffen auf das Wunder von Faisabad

Im nordostafghanischen Faisabad, wo die Bundeswehr ihr zweites so genanntes Wiederaufbauteam stationiert, sind die hohen Erwartungen der Bevölkerung kaum zu erfüllen. Risiken sind schlechte Infrastruktur, Machtkämpfe und Drogenanbau

AUS FAISABAD PETER BÖHM

Wakil Schamsidin spricht bedächtig. Der 83-Jährige ist einer der angesehensten Alten von Faisabad. In den Sechzigerjahren unter König Sahir Schah war er Provinzgouverneur, bis Jahresanfang war er Mitglied der Kommission, die Afghanistans neue Verfassung erarbeitete. Er zählt auf, zu wie vielen Gelegenheiten er Präsident Hamid Karsai schon gebeten hat, die Internationale Schutztruppe (Isaf) auch nach Badakhschan zu schicken – in Afghanistans nordöstlichste Provinz. Nun soll Mitte August in Faisabad ein Regionales Wiederaufbauteam (PRT) der Bundeswehr stationiert werden. Es wäre nach dem in Kundus das zweite deutsche Team, wobei die Bundesregierung in Faisabad noch auf Beteiligung einer weiteren Nation hofft.

Schamsidins Erwartungen sind groß. „99 Prozent der Bevölkerung hier sind sehr froh, dass die deutschen Soldaten kommen“, sagt er und nennt gleich Prioritäten für den Wiederaufbau. „Faisabad hat kein Stromnetz, aber einen Fluss mit viel Wasser. Am besten wäre ein Wasserkraftwerk.“ Eine zweite wichtige Aufgabe der deutschen Soldaten sei, die Entwaffnung der Milizen zu forcieren. Und er hofft auf Investitionen. „Bis zum Zweiten Weltkrieg betrieben Deutsche hier eine Goldmine. Unsere Provinz ist reich. Es muss nur jemand ihre Bodenschätze ausbeuten.“

Die Menschen in Badakhschan hoffen, dass die westlichen Soldaten die Macht der Warlords brechen, die noch überall in Afghanistan zu spüren ist. Trotzdem sollte sich niemand von der Zustimmung der Bevölkerung täuschen lassen. Der Einsatz bleibt für die Bundeswehr eine große Herausforderung.

Der erste Grund ist die fehlende Infrastruktur. Vom Stützpunkt in Kundus sind es zwölf Stunden Fahrt nach Faisabad in die Berge. Auf holprigen Pisten geht es entlang tiefer Schluchten auf 1.700 Meter hinauf. Im Winter und Frühjahr ist die Straße unpassierbar. Dann müsste das PRT mit Helikoptern versorgt werden. Deshalb ist noch unklar, ob es auch zu diesen Jahreszeiten besetzt sein wird.

Faisabad ist ärmlich. Zwischen dem neuen Viertel, wo Hilfsorganisationen ansässig sind, und dem alten Basarviertel und den an die Hänge gebauten Lehmhäusern gibt es nur eine Brücke über den Gebirgsfluss. Die Stadt hat weder Elektrizität noch Kanalisation. Gerade wegen der schlechten Infrastruktur habe die Bundesregierung beschlossen in Faisabad einen Stützpunkt zu eröffnen, sagt der Kommandeur des Kundus-PRT, Oberst Reinhard Kuhn. Innerhalb der Isaf ist die Bundeswehr für die vier Nordostprovinzen Kundus, Baghlan, Takhar und Badakhschan zuständig. In Baghlan und Takhar hat die Bundeswehr temporäre Außenstellen, in denen Soldaten gelegentlich übernachten, bevor sie nach Kundus zurückkehren. „In Faisabad wäre das nicht möglich“, sagt Kuhn. „Deshalb brauchen wir eine permanente Struktur.“ Für Verpflegung, medizinische Versorgung und den Schutz der Soldaten braucht es eine gewisse Größe des Kontingents. Militärplaner gehen deshab davon aus, dass in Faisabad 80 Soldaten stationiert werden müssen. Ein Vorausteam bereitet dies inzwischen vor.

Wie in anderen Landesteilen gab es auch in Faisabad kürzlich Anschläge. „Offenbar will jemand die geplanten Wahlen stören. Bis vor kurzem war Badakhschan eine der ruhigsten Provinzen“, sagt der Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation (NGO) in Faisabad, der nicht genannt werden will. Ende März und Anfang Juni wurden Raketen auf das Gebäude des UN-Welternährungsprogramms abgefeuert, Ende Juni explodierte eine Bombe am Tor einer Hilfsorganisation. „Auf die Raketen waren nur sehr schwache Sprengsätze montiert. Sie waren als Warnung gemeint“, sagt der NGO-Mann. „Zwei Tage bevor die Bombe explodierte, hatte es im staatlichen Radio geheißen, Badakhschan sei völlig unter Kontrolle der Regierung in Kabul. Die Bombe war die Antwort darauf.“ Faisabad sei sehr klein, sagt der Mann. Deshalb wüssten alle, wer wofür verantwortlich sei. „Vergangenes Jahr setzte Karsai eine neue Führung in Faisabad ein. Das verärgerte die alten Machthaber, und sie haben Möglichkeiten, ihren Ärger zu zeigen.“

Auch der in Badakhschan verbreitete Opiumanbau könnte der Bundeswehr zu schaffen machen. Der Bundestag beschloss, eine Bekämpfung des Drogenanbaus sei nicht Aufgabe der deutschen Soldaten. Die Bundesregierung verweist gern darauf, dass Großbritannien für die Koordination der Antidrogenpolitik und die afghanische Polizei für deren Umsetzung verantwortlich ist. Aber bisher versagte die Drogenbekämpfung. In Badakhschan lag vergangenes Jahr die Anbaufläche für Schlafmohn landesweit an dritter Stelle. Auch wenn die deutschen Soldaten beim Kampf gegen die Drogen wegschauen, könnten sie schnell zur Zielscheibe werden, sollte die Regierung einmal ernsthaft gegen den Opiumanbau vorgehen.