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Archiv-Artikel

Ein Dorf dreht durch

Versaut Reichtum den Charakter? „Schade um das schöne Geld“ gibt eine ziemlich klare Antwort (20.15 Uhr, ZDF)

Lars Becker ist auf Nummer sicher gegangen. Der Regisseur, eher heimisch im Krimigenre („Nachtschicht“), griff für seinen neuen Film auf Darsteller zurück, die man als dreiviertel Miete für eine gelungene Komödie bezeichnen kann. Allesamt erfahrene Leute auf dem Gebiet: Uwe Ochsenknecht, Heike Makatsch, Armin Rohde und Christian Ulmen. Was soll da noch schiefgehen? Um es vorwegzunehmen: Es geht nicht schief.

Freilich, der Film beginnt mit einem Coldplay-Song, kein gutes Vorzeichen für einen Streifen, der das Publikum überraschen will. Doch der Eindruck legt sich schnell, denn in den ersten zwei Minuten wird schön oft geflucht, der Zuschauer wird schnell mit den Protagonisten warm. Mirabel Blinker (Heike Makatsch), die nicht viel mehr hat als zwei kriminelle Brüder und einen Job, der sich darin erschöpft, Garnelen in Fünferreihe auf Pizzas zu sortieren. Klaas Jonkers (Uwe Ochsenknecht), der die Garnelenzählerinnen befehligt und ab und an auch eine von ihnen besteigt. Gloria (Cosma Shiva Hagen), die sich besteigen lässt. Bürgermeister Zotebier, der schon kraft seiner Darstellung durch Proll-Schauspieler Armin Rohde schwer metzgerhaft wirkt. Und eben Busfahrer Bruno Karras: Christian Ulmen versteht es hier, wie so oft, sich von jeder Schauspielerei zu emanzipieren und eben einfach den Ulmen zu geben. Das ist gut, denn von dieser ganz speziellen Brachialironie sollte der deutsche Film noch nicht übersättigt sein, dazu hat Ulmen bisher zu selten in Filmen mitgewirkt.

Diesen Leuten in ihren gefestigten Leben widerfährt nun das, was einem nicht widerfahren sollte, will man in seinen geliebten Mustern verharren, die das Leben so vorgibt: Mitten in ihre norddeutsche Dorfidylle platzt die Nachricht, dass sie 25 Millionen Euro im Lotto gewonnen haben. Groß ist die Freude, schnell sind die ersten neuen Autos gekauft, fast noch schneller versucht ein jeder, den anderen um seinen Anteil am Gewinn der Tippgemeinschaft zu prellen. Hauptleidtragende ist Garnelensortiererin Blinker, die zu allem Überfluss auch noch vollkommen rechtens von dem Geldsegen ausgeschlossen wird. Sie also tut sich mit ihrem Jugendfreund Karras zusammen, um sich das nicht gewonnene Geld trotzdem noch zu holen – von der ehemals besten Freundin und Neumillionärin Gloria und vom alten Chef. Und Karras alias Ulmen tut, was er im Film am Provinztheater gelernt hat und was Ulmen-Fans im echten Leben lieben. Er spielt den eloquenten Banker ebenso wie den korrupten Mitarbeiter der Umweltbehörde – und zwar leicht überdreht und eben deshalb authentisch. Denn wer bleibt denn noch authentisch, wenn es um Millionen geht?

Nachdem also das gesamte Dorf durchgedreht ist, über vierspurige Brücken zum Festland debattiert wird und gigantische Surfanlagen geplant wurden, normalisiert sich die vom Lotto-Schock geflashte Tippgemeinschaft am Ende – und gibt sich wieder dem üblichen dörflichen Zank hin. Nur der Busfahrer und die Garnelensortiererin werden richtig zufrieden. Mit harter Arbeit erschwindeltes Geld macht halt doch glücklicher als ehrlich gewonnenes – auch keine schlechte Botschaft.

THOMAS TRAPPE